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Komische Voegel

Komische Voegel

Titel: Komische Voegel
Autoren: Gerbrand Bakker
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gilt das nur für holländische Schafe. Vielleicht sind Yorkshire-Schafe anders gebaut.
    Wenn nicht, funktioniert es wahrscheinlich so: Zehn Schafe rollen sich hintereinander auf den Rost, bleiben auf dem Rücken liegen, und der Rest der Herde zieht über die Bäuche der Liegenden auf die grünere Weide. Die zehn, die sich geopfert haben, sterben.
    Soll ich nun einen Leserbrief schreiben oder die Sache auf sich beruhen lassen?
    Pferd auf dem Rücken
    Samstag, 7. August 2004
    Fast immer, wenn man überlegt, ob man einen Leserbrief schreiben soll oder lieber nicht, erledigt sich die Sache dadurch, daß jemand anders es tut. Die Meldung über die rollenden Schafe wird von einem Leser aus Arnheim als mo
derne Legende abgetan. Es seien Pferde, die sich so verhielten. Und nicht in Yorkshire, sondern im New Forest, einem Nationalpark in Südengland. Und auch das sei Unsinn und frei erfunden, eine typische Sommerlochmeldung. Ziemlich verwirrend, dieser Brief.
    Wie auch immer und überhaupt: Kein Säugetier kann sich rollend oder wälzend über einen Weiderost bewegen. (Außer Menschen, allerdings überquere ich Weideroste meistens aufrecht gehend.)
    Ein Pferd
    Freitag, 27. August 2004
    Eines zumindest haben Reiter (ob Dressur, Springen, Vielseitigkeit oder moderner Fünfkampf) allen Sportlern ohne Pferd voraus: das Pferd. Wenn man die 110 Meter Hürden vermasselt, ist man ungeheuer einsam und allein und traurig. Ich kenne dieses Gefühl: Einmal, in einem meiner besten Eisschnellaufjahre, war ich so gut in Form, daß die phantastischsten persönlichen Rekorde zu erwarten waren. Meinten die anderen. Tja, bei den Wettkämpfen brachte ich dann nichts anderes zustande als Stürze. Nächtelang war mir hundeelend zumute. Dieses Niveau erreichst du nie wieder, denkt man dann. Oder: Noch so eine Chance bekommst du nicht. Dabei war mein Niveau alles andere als großartig, trotzdem reagierte ich so heftig. Bei den Olympischen Spielen zu verlieren muß also schrecklich sein, wirklich grauenvoll.
    Wenn man aber auf einem Pferderücken verliert, ist man wenigstens nicht allein. Schon das Klopfen auf den Pferde
hals nach zwölf Springfehlern ist ein erster Schritt zur Bewältigung des Geschehenen. Später kann man sein Pferd selbst versorgen. Zu ihm in die Box kriechen, nachdem man ihm eine besonders große Portion Hafer oder besonders leckeres Kleeheu gegeben hat. Und man kann mit ihm sprechen. Ohne daß es etwas erwidert. Das ist das Schöne daran. Es braucht einen einfach, damit am nächsten Tag die Sonne wieder aufgeht. Allein kommt es nicht zurecht.
    Wenn die Hockey-Frauen verlieren, sprechen sie auch, aber sie erhalten Antworten, die eine sagt dies, die andere das, und deshalb bringt das Reden nichts. Sie sind Menschen, keine muß eine andere versorgen, sie ziehen sich gegenseitig nur noch tiefer hinunter. Menschen sind keine Hilfe, wenn man verliert.
    Dann lieber ein Pferd, der stille Freund mit rehbraunen Augen, der einen braucht. Für den man verantwortlich ist und den man sich – nach einem verlorenen Wettkampf – schon als betagtes Tier auf der Altersweide vorstellen kann, zwischen drei hinfälligen Kühen und fünf hinkenden Schafen. Und dieser Gedanke kann einen sogar glücklich machen.
    Goldfische auf hoher See
    Dienstag, 7. September 2004
    Der Zug fuhr um halb sechs in Amsterdam ab, und mir fiel auf, daß es nur sehr langsam hell wurde. Als es dann hell war, wünschte ich, es wäre noch dunkel. Die Bäume an der Strecke neigten sich heftig in Richtung Osten. Viel zu heftig. Ich war nämlich auf dem Weg nach Hoek van Holland,
zur Schnellfähre nach Harwich. Dann sind Bäume, die sich hinlegen möchten, kein angenehmer Anblick.
    Beim Einchecken stand ein kleiner Junge neben mir, der ein Aquarium bei sich hatte. Eine Art Reiseaquarium, ich hatte so etwas noch nie gesehen. Später bestieg er vor mir die Treppe, die Passagierbrücke und das Schiff. Die Goldfische im Reiseaquarium blickten sehnsüchtig durch die Plastikwände ins Freie. Und ich dachte: Der Kleine will seinen Fischen die Freiheit geben. Nicht, indem er sie über Bord kippt (vielleicht geht das gar nicht, weil die Türen zu den winzigen Decks am Heck der Stena Discovery abgeschlossen sind), sondern indem er mit ihnen zusammen untergeht. Er hätte sich dafür keinen besseren Tag aussuchen können. Ich hatte ein bißchen Angst vor dem Jungen mit den Goldfischen, und als die Fähre in Harwich ankam, gab ich mir die größte Mühe, ihm aus dem Weg zu gehen.
    Ihn und
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