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Koma

Koma

Titel: Koma
Autoren: Robin Cook
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das Bild eines dünnen, hochnäsig-verzogenen Burschen mit großer Brille und ellenlangem neuenglischen Stammbaum, gekleidet, verstand sich, in die besten Hemden von Brooks Brothers. Der Name Susan Wheeler fiel ihm nur deshalb auf, weil Frauen ihm immer auffielen. Und er selbst übte, da war er sicher, die gleiche Wirkung auf das andere Geschlecht aus. Schließlich war er ein athletischer Mann und Arzt obendrein. Bellows’ soziale Vorstellungen waren insgesamt eher naiv, wie die der meisten seiner Standeskollegen. Der Name Susan Wheeler signalisierte ihm vor allem die Hoffnung, daß der nächste Monat einen erfreulichen Aspekt bringen könnte. Er machte sich nicht die Mühe, dem Namen in seiner Vorstellung eine Gestalt beizugeben.
    Mark Bellows arbeitete bereits zweieinhalb Jahre im Memorial. Seine medizinische Laufbahn hatte vielversprechend begonnen, und er war ziemlich sicher, auch künftig keinen Schiffbruch zu erleiden. Wenn er ehrlich war, sah es sogar so aus, als hätte er eine handfeste Chance auf den Posten des Stationsarztes, sofern alles glattging. Als Assistenzarzt dazu auserkoren zu sein, eine Gruppe von Medizinstudenten unter seine Fittiche zu nehmen, war schon eine Art Auszeichnung, wenngleich mit mancherlei Mühsal verbunden. Die Aufgabe war ihm völlig unerwartet übertragen worden, sozusagen als unmittelbare Nebenwirkung der Hepatitis, von der Hugh Casey befallen worden war. Casey, ein ranghöherer Kollege, bekam jedes Jahr zwei Studentengruppen zugewiesen. Gleich nach Caseys Erkrankung hatte Bellows die Nachricht erhalten, er möge sich im Büro von Dr. Howard Stark melden. Damals hatte Bellows beileibe nicht an Studenten oder die Hepatitis seines Kollegen gedacht, sondern in aller Eile seine jüngsten Fehltritte Revue passieren lassen, wie immer, wenn man in das Allerheiligste befohlen wurde. Aber ganz anders als sonst war ihm Stark mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit begegnet und hatte ihm sogar zu einem seiner letzten Operationserfolge gratuliert. Danach war Stark mit dem eigentlichen Anlaß der Audienz herausgerückt, hatte ihn gefragt, ob er nicht Lust hätte, Caseys Studenten zu übernehmen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Bellows hätte lieber darauf verzichtet, solange er in der Mühle von Beard 5 steckte. Doch es empfahl sich nicht, Stark eine Absage zu erteilen, selbst wenn der seinen Wunsch in die Form eines freundlichen Angebots kleidete. Für Bellows wäre dies einem beruflichen Selbstmord gleichgekommen. Er kannte das Ausmaß an Rachegelüsten, zu denen eine brüskierte Chef-Chirurgen-Seele fähig war, und hatte sich beeilt, die Offerte mit allen Anzeichen von Dankbarkeit anzunehmen.
    Bellows entwarf auf seinem Block einen Plan für die kommenden etwa dreißig Tage, die den Medizinstudenten unter seiner Tutorenschaft bevorstanden. Jeden Morgen würde er selbst eine Vorlesung halten, am Nachmittag mußte einer der Kollegen dran glauben. Er wollte vor allem die Themen genau festlegen, um Überschneidungen zu vermeiden.
    Bellows hatte in der vergangenen Woche seinen 29. Geburtstag gefeiert. Sein Alter war nicht leicht zu schätzen. Er hatte eine für einen Mann ungewöhnlich glatte Haut und befand sich in hervorragender körperlicher Verfassung. Daß er auf die Dreißig zuging, ließ allenfalls sein etwas gelichtetes Haar ahnen. Er hatte blaue Augen, ein freundliches, offenes Gesicht und die Fähigkeit, die meisten Leute für sich einzunehmen. Mark Bellows war bei fast allen beliebt.
    In Beard 5 arbeiteten auch zwei Praktikanten. Nach dem neuen Sprachgebrauch hatten sie Anrecht auf die Bezeichnung »Assistenzärzte im ersten Dienstjahr«, doch Bellows und die meisten anderen seiner Kollegen nannten sie weiter Praktikanten. Es handelte sich um Daniel Cartwright und Robert Reid. Sie waren seit Juli vergangenen Jahres auf der Station und hatten große Fortschritte gemacht, aber jetzt, im Februar, unterlagen beide dem bekannten Praktikanten-Syndrom, einer Art seelischem Tief, das immer dann auftrat, wenn der Ansturm des Neuen zur Routine geworden, der Streß der Verantwortung und nicht zuletzt der ständigen Nachtdienste aber innerlich noch nicht verarbeitet war. Aus diesem Grund mußte sich Bellows den beiden zur Zeit etwas ausgiebiger widmen. Cartwright arbeitete in der Intensivstation, Reid in Beard 5. Bellows beschloß, sie in die Studentenbetreuung einzubeziehen. Dabei versprach er sich mehr von Cartwright, während Reid, ein Schwarzer, gegenwärtig genug mit sich selbst zu tun
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