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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
Autoren: Jo Nesbø
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weißgekleideten Gestalten, die Thermotasse, die Füße, die unter der Decke herausragten, alles genau wie im Reichshospital. Als wäre das eine Art Vorwarnung gewesen.
    Der Kopf …
    »Danke, Katrine«, sagte Beate.
    »Was ist denn?«, fragte die Rastamütze.
    »Ich habe mit Erlend genau hier gearbeitet«, sagte Beate.
    »Hier?«, fragte die Rastamütze.
    »Ja. Genau hier. Er war damals Leiter der taktischen Ermittlung. Das ist bestimmt zehn Jahre her. Sandra Tveten. Vergewaltigt und ermordet. Noch ein Kind.«
    Anton schluckte. Kind. Wiederholung.
    »Ich erinnere mich an den Fall«, sagte die Rastamütze. »Seltsames Schicksal, an seinem eigenen Tatort zu sterben. War dieser Sandra-Fall nicht auch im Herbst?«
    Beate antwortete nicht, sondern nickte nur langsam.
    Anton blinzelte immer wieder. Es stimmte nicht, er hatte doch schon einmal eine solche Leiche gesehen.
    »Verdammt!«, fluchte die Rastamütze leise, »du meinst doch nicht etwa, dass …?«
    Beate Lønn nahm ihm die Thermotasse ab, trank einen Schluck, gab sie ihm zurück und nickte.
    »Scheiße«, fluchte die Rastamütze.

Kapitel 3
    » D éjà-vu«, sagte Ståle Aune und starrte in das dichte Schneetreiben über der Sporveisgata, auf der das morgendliche Dezemberdunkel einem kurzen Tag wich. Dann drehte er sich wieder zu dem Mann um, der vor seinem Schreibtisch saß. »Ein Déjà-vu ist das Gefühl, etwas zu sehen, das man vorher schon einmal gesehen hat. Wie genau das im Hirn abläuft, wissen wir aber nicht.«
    Mit »wir« meinte er generell alle Psychologen, nicht bloß Therapeuten. »Manche glauben, dass es müdigkeitsbedingt zu einer Verzögerung der Informationsübertragung im bewussten Teil unseres Gehirns kommt, so dass die Information, wenn sie ankommt, im Unterbewusstsein schon eine Weile da ist. Das äußert sich dann als das Gefühl, etwas wiederzuerkennen. Das mit der Müdigkeit könnte erklären, warum Déjà-vus meistens am Ende der Arbeitswoche auftreten, aber im Grunde ist die Tatsache, dass der Freitag der Déjà-vu-Tag schlechthin ist, auch schon alles, was die Forschung dazu erbracht hat.«
    »So ein Déjà-vu meine ich nicht«, sagte der Patient. Klient. Kunde. Die Person, die in etwa zwanzig Minuten am Empfang zahlen und damit ihren Beitrag zur Finanzierung der psychologischen Gemeinschaftspraxis in dem vierstöckigen, charakterlosen und trotzdem unmodernen Gebäude in der Sporveisgata in Oslos mittelfeinem Westen leisten würde. Ståle Aune erschlich sich einen Blick auf die Uhr hinter dem Kopf des Mannes. Achtzehn Minuten.
    »Es ist eher wie ein Traum, den ich wieder und wieder habe.«
    » Wie ein Traum?« Ståle Aunes Blick glitt wieder über die Zeitung, die aufgeschlagen auf der geöffneten Schreibtischschublade lag, so dass der Patient sie nicht sehen konnte. Die meisten Therapeuten saßen heutzutage auf einem Stuhl unmittelbar vor ihrem Patienten. Als der massive Schreibtisch in Ståles Praxis geliefert worden war, hatten es sich seine Kollegen denn auch nicht verkneifen können, ihn grinsend daran zu erinnern, dass es laut moderner Therapietheorie am besten war, keine physische Barriere zwischen sich und dem Patienten zu haben. Ståles Antwort war sehr knapp ausgefallen: »Am besten für den Patienten, das kann sein.«
    »Es ist ein Traum. Ich träume ihn immer wieder.«
    »Dass sich Träume wiederholen, ist ganz normal«, sagte Aune und fuhr sich mit der Hand über den Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken. Sehnsuchtsvoll dachte er an seine geliebte alte Couch, die aus seiner Praxis entfernt worden war und jetzt im Gemeinschaftsraum unter einer Hantelstange stand und nur noch als psychotherapeutischer In-Joke diente. Als die Patienten noch auf der Couch lagen, war es nämlich viel leichter gewesen, Zeitung zu lesen.
    »Ich will diesen Traum aber nicht haben.« Dünnes, selbstbewusstes Lächeln. Dünnes, wohlfrisiertes Haar.
    Willkommen beim Traumexorzisten, dachte Aune und versuchte sich an einem ebenso dünnen Lächeln. Der Patient trug Nadelstreifenanzug, einen grauroten Schlips und schwarze, glänzende Schuhe. Aune saß in einer Tweedjacke da und hatte sich eine bunte Fliege unter sein Doppelkinn gebunden. Seine braunen Schuhe hatten schon lange keine Bürste mehr gesehen.
    »Wenn Sie mir erzählen würden, worum es in diesem Traum geht?«
    »Das habe ich doch gerade gesagt.«
    »Schon, aber vielleicht könnten Sie noch etwas mehr ins Detail gehen?«
    »Er fängt wie gesagt da an, wo Dark Side of the Moon endet.
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