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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
Autoren: Charles C. Mann
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Erdoberfläche – vielleicht abgesehen von ein paar Stellen in der Antarktis – wurde von Orten verändert, die bis 1492 viel zu weit entfernt gewesen waren, um irgendeinen Einfluss auszuüben. Seit fünf Jahrhunderten sind jetzt Kollision und Chaos infolge dieser ständigen Kontakte unser Normalzustand; mein Garten mit seiner Auswahl an exotischen Pflanzen ist ein kleines Beispiel dafür. Bleibt die Frage, wie die Tomaten in die Ukraine gelangten. In gewisser Weise ließe sich das vorliegende Buch recht gut durch die Feststellung beschreiben, dass es, lange nachdem ich die Frage zum ersten Mal stellte, meine erfolgversprechendsten Ansätze zusammenfasst, eine Antwort zu finden.

Einleitung Im Homogenozän

Teil eins Atlantikreisen

Kapitel 3 Schlechte Luft
    «Extractive States»
    1985 gab ein Buchhändler im Nordosten Spaniens bekannt, er besitze neun Briefe und Berichte von Cristóbal Colón, sieben davon völlig unbekannt, darunter auch Mitteilungen über alle Amerikareisen. Noch im selben Jahr unterzogen Consuelo Varela und Juan Gil, Herausgeber einer maßgeblichen Ausgabe der Schriften des Admirals, die Papiere einer skeptischen Prüfung. Zur Überraschung ihrer Kollegen gelangten sie zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Manuskripten um handschriftliche Kopien echter Briefe und Berichte Colóns handle – Kopien von der Art, wie sie sich wohlhabende Leute vor der Erfindung des Fotokopierers häufig anfertigen ließen. [186] Der spanische Staat erwarb die Papiere für eine ungenannte Summe; 1989 erschien eine Faksimile-Ausgabe. Neun Jahre später kam eine englische Übersetzung heraus.
    Angesichts meines Interesses für Colón kaufte ich ein Exemplar der Übersetzung, als ich es in einem Antiquariat entdeckte. Da das Buch zu einer Reihe gehört, die der italienische Staat zu Ehren des fünfhundertsten Jahrestags von Colóns erster Reise nach Amerika herausgab, handelt es sich um ein cremefarbenes, opulent aufgemachtes Produkt von überdimensionalen Abmessungen, das nicht in ein normales Bücherregal passt. Zur Enttäuschung von Lesern wie mir erklärten Gil und Varela in der Einleitung: «Diese bislang unbekannten Texte bringen keine spektakulären Enthüllungen» über Colóns Leben und Charakter. Doch nach der Hälfte des Berichts über die zweite Reise des Admirals stieß ich auf eine merkwürdige Einzelheit, die in den ausgezeichneten Biographien von Samuel Eliot Morison und Felipe Fernández-Armesto nicht erwähnt wird.
    In der Übersetzung erklärt Colón, dass nach der Ankunft der Expedition in La Isabela «sich alle meine Leute an Land begaben, um sich anzusiedeln, und alle bemerkten, dass es viel regnete. Sie erkrankten schwer am Tertianfieber.» Tertianfieber ist eine veraltete Bezeichnung für Anfälle von Fieber und Schüttelfrost, die in regelmäßigem Achtundvierzig-Stunden-Rhythmus auftreten – ein Tag Krankheit, gefolgt von einem Tag Ruhe, dann wieder ein Tag Krankheit und so fort: «Tertian», nach dem lateinischen Wort für «drei Tage», stammt von der römischen Gewohnheit, die Zeit vom Beginn eines Zeitabschnitts bis zum Beginn des nächsten zu zählen. [187] Tertianfieber ist das Erkennungszeichen der wichtigsten Malariaarten, die zu den größten Plagegeistern der Menschheit gehören. Wörtlich genommen, scheint Colón zu sagen, dass sich seine Männer in La Isabela Malaria zuzogen. Kein Wunder, dass die Kolonisten nicht arbeiten wollten, dachte ich und strich die Stelle mit einem Bleistift an. [188]
    2002 veröffentlichte Noble David Cook, ein Historiker an der Florida International University in Miami, einen Artikel mit dem wenig erbaulichen Titel «Sickness, Starvation, and Death in Early Hispaniola», [189] in dem er eingehend die katastrophale Geschichte der Insel nach Colóns Landung schilderte. Die Forscher sind sich so weit einig, dass es vor 1492 keine menschliche Malaria in Amerika gab; einige meinen, es habe eine Art Affen-Malaria existiert. [190] Wenn sich Colóns Männer Malaria zugezogen hätten, so Cook, müssten sie sie aus Spanien mitgebracht haben, wo die Krankheit, wie in einem Großteil des restlichen Europas, grassierte. Es war ein Lehrbuchfall des kolumbischen Austauschs, vom Gründungsvater selbst berichtet.
    Mich an das cremefarbene Buch erinnernd, zog ich es hervor und schlug die entsprechende Stelle auf. Im spanischen Originaltext, auf der gegenüberliegenden Seite abgedruckt, wurden die spanischen Wörter für Malaria oder Tertianfieber nicht verwendet.
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