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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
Autoren: Charles C. Mann
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und ihre Nachkommen sind auf dieser Welt überall anzutreffen. Das bedarf einer Erklärung.»
    Ich verstand genau, worauf Crosby hinauswollte. Die meisten Afrikaner leben in Afrika, die meisten Asiaten in Asien und die meisten indigenen Amerikaner in Amerika. Dagegen treffen wir Menschen europäischer Herkunft überaus zahlreich in Australien, Amerika und Südafrika an. Als erfolgreiche Transplantate stellen sie in vielen dieser Regionen die Mehrheit – eine offenkundige Tatsache, über die ich aber vorher nie richtig nachgedacht hatte. Jetzt fragte ich mich: Warum ist das so? Ökologisch betrachtet, ist es genauso rätselhaft wie die Tomaten in der Ukraine.
    Bevor sich Crosby und einige seiner Kollegen näher mit dieser Frage befassten, neigten Historiker dazu, Europas Ausbreitung über den Globus fast gänzlich mit der – gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen – europäischen Überlegenheit zu erklären. In seinem Buch
Die Früchte des weißen Mannes
schlägt Crosby eine andere Erklärung vor: Zwar räumt er ein, dass Europa häufig besser ausgebildete Soldaten und modernere Waffen aufzubieten hatte als seine Gegner, doch langfristig war sein Vorteil biologischer, nicht technischer Natur. Die Schiffe, die den Atlantik überquerten, beförderten nicht nur Menschen, sondern auch Pflanzen und Tiere – manchmal absichtlich, manchmal zufällig. Nach Kolumbus trafen Ökosysteme, die über Äonen isoliert gewesen waren, plötzlich aufeinander und mischten sich in einem Prozess, den Crosby «Columbian Exchange», kolumbischen Austausch, nennt – der Titel seines vorangegangenen Buchs. Im Zuge dieses Austauschprozesses gelangte Mais nach Afrika, die Süßkartoffel nach Ostasien, Pferd und Apfel kamen nach Amerika und Rhabarber und Eukalyptus nach Europa – und in ihrem Gefolge fanden auch weniger vertraute Organismen wie Insekten, Gräser, Bakterien und Viren neue Verbreitungsgebiete. Dieser kolumbische Austausch, der von den Beteiligten in seinem ganzen Ausmaß weder kontrolliert noch verstanden wurde, ermöglichte den Europäern, große Teile Amerikas, Asiens und, in geringerem Maße, Afrikas in ökologische Abbilder Europas zu verwandeln – in Landschaften, die zu nutzen den Fremden leichter fiel als ihren ursprünglichen Bewohnern. Crosbys These: Dieser ökologische Imperialismus verschaffte den Briten, Franzosen, Niederländern, Portugiesen und Spaniern den permanenten Vorteil, den sie brauchten, um ihre Kolonialreiche zu erobern.
    Crosbys Bücher wurden zu den Gründungsschriften einer neuen Disziplin: der Umweltgeschichte. Zur gleichen Zeit etablierte sich eine andere Disziplin, die Atlantic Studies, die sich mit den Wechselbeziehungen zwischen den Anrainerkulturen dieses Weltmeers befassen; unlängst haben zahlreiche «Atlantizisten» ihrem Forschungsfeld auch Pazifiküberquerungen eingegliedert; möglicherweise braucht die Disziplin also einen neuen Namen. Insgesamt trugen die Forscher auf allen diesen Feldern Daten zusammen, die sich zu einem neuen Bild von den Ursprüngen unserer weltumspannenden, vielfältig verflochtenen Zivilisation fügen – jenes Lebensstils, der uns bei dem Begriff «Globalisierung» in den Sinn kommt. In gewisser Hinsicht lassen sich ihre Bemühungen durch die Feststellung zusammenfassen, dass die Geschichte der Könige und Königinnen, die die meisten von uns in der Schule gelernt haben, einer Ergänzung bedarf: Wir müssen die bemerkenswerte Rolle sowohl des ökologischen als auch des ökonomischen Austauschs berücksichtigen. Man könnte auch sagen, diese Forschungsergebnisse zeigen immer deutlicher, dass die Reise des Kolumbus nicht die Entdeckung, sondern die Schaffung einer neuen Welt brachte. Wie diese Welt hervorgebracht wurde, ist Gegenstand des vorliegenden Buchs.
    Die Forschungsarbeiten haben erheblich von modernen wissenschaftlichen Werkzeugen profitiert. Satelliten kartieren die Umweltveränderungen, die durch den umfangreichen, weitgehend verborgenen Handel mit Latex, dem Hauptbestandteil des Naturkautschuks, bewirkt wurden. Mit DNA -Proben zeichnen Genetiker den verhängnisvollen Weg der Kartoffelfäule nach. Ökologen simulieren mit mathematischen Modellen die Ausbreitung der Malaria in Europa. Und so fort – es gibt Beispiele in Hülle und Fülle. Auch politische Veränderungen haben ihren Teil beigetragen. Um nur einen Aspekt zu nennen, der von besonderer Bedeutung für dieses Buch war – heute ist die wissenschaftliche Arbeit in China lange nicht
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