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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps
Autoren: Jared Diamond
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ununterbrochene Folge deprimierender Berichte über das Versagen, sondern es enthält auch Erfolgsgeschichten, die zur Nachahmung anregen und Optimismus verbreiten können.
    Außerdem kenne ich keinen einzigen Fall, in dem man den Zusammenbruch einer Gesellschaft ausschließlich auf Umweltschäden zurückführen könnte; immer tragen auch andere Faktoren dazu bei. Als ich mit den Planungen für dieses Buch begann, konnte ich derartige Komplikationen noch nicht richtig einschätzen, und ich hatte die naive Vorstellung, es würde ausschließlich von der Schädigung der Umwelt handeln. Schließlich gelangte ich zu einem fünfteiligen Schema für die Faktoren, die an solchen Ereignissen mitwirken, und in diesem Rahmen versuche ich jetzt, mutmaßliche umweltbedingte Zusammenbrüche zu verstehen. Vier meiner Faktoren - Umweltschäden, Klimaveränderungen, feindliche Nachbarn und freundliche Handelspartner - können sich in einer bestimmten Gesellschaft als bedeutsam erweisen oder auch nicht. Der Fünfte, die Reaktion einer Gesellschaft auf ihre Umweltprobleme, ist immer von Bedeutung. Wir wollen diese fünf Faktoren nacheinander betrachten; die Reihenfolge stellt dabei keine Rangfolge dar, sondern orientiert sich nur an der bequemsten Art der Darstellung.
    Der erste Faktor sind die bereits erwähnten Schäden, die eine Bevölkerungsgruppe ihrer Umwelt unabsichtlich zufügt. Wie groß diese Schäden sind und wie weit sie sich rückgängig machen lassen, hängt einerseits vom Verhalten der Menschen ab (beispielsweise davon, wie viele Bäume je Hektar sie in einem Jahr abholzen), andererseits aber auch von den Eigenschaften der Umwelt (beispielsweise davon, wie viele Keimlinge je Hektar und Jahr neu anwachsen und wie schnell sie größer werden). Solche Umwelteigenschaften bezeichnet man als Empfindlichkeit (Anfälligkeit für Schäden) oder Widerstandskraft (Erholungspotenzial nach Schädigungen): dabei kann man getrennt die Empfindlichkeit oder Widerstandsfähigkeit der Wälder, Böden, Fischbestände und anderer Aspekte einer Region betrachten. Dass nur bestimmte Gesellschaften einen Umweltzusammenbruch erlebten, kann also im Prinzip an mangelnder Klugheit der Menschen und/oder an einer besonderen Empfindlichkeit mancher Teile der Umwelt liegen.
    Die nächste Überlegung in meinem fünfteiligen Schema betrifft Klimaveränderungen. Mit diesem Begriff bezeichnen wir heute vor allem die von Menschen verursachte globale Erwärmung. Dass das Klima wärmer oder kälter, feuchter oder trockener und von Monat zu Monat oder auch von Jahr zu Jahr schwankender wird, kann aber auch an Naturkräften liegen, die nichts mit dem Menschen zu tun haben. Solche Kräfte sind beispielsweise die von der Sonne abgestrahlte Wärme, Vulkanausbrüche, die Staub in die Atmosphäre entlassen, Veränderungen in der Orientierung der Erdachse relativ zur Erdumlaufbahn und Veränderungen in der Verteilung von Land und Wasser auf der Erdoberfläche. Häufig diskutierte natürliche Klimaveränderungen sind zum Beispiel die vordringenden und zurückweichenden Eiskappen während der Eiszeiten, die vor über zwei Millionen Jahren begannen, die so genannte kleine Eiszeit zwischen 1400 und 1800, und die globale Abkühlung nach dem gewaltigen Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora am 5. April 1815. Bei dieser Eruption gelangte so viel Staub in die oberen Atmosphärenschichten, dass weniger Sonnenlicht die Erde erreichte, bis der Staub sich gesetzt hatte. Dies führte wegen der kühleren Temperaturen in Nordamerika und Europa zu großen Hungersnöten, und 1816 (dem »Jahr ohne Sommer«) ging der Getreideertrag stark zurück.
    Für die Gesellschaften früherer Zeiten, in denen die Menschen kürzer lebten und nicht schreiben konnten, waren Klimaveränderungen ein noch größeres Problem: In vielen Regionen der Erde schwankt das Klima nämlich nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern auch in Zeiträumen von mehreren Jahrzehnten; manchmal folgt beispielsweise auf mehrere feuchte Jahrzehnte ein trockenes halbes Jahrhundert. In vielen prähistorischen Gesellschaften betrug die Generationszeit der Menschen - das heißt die durchschnittliche Zahl der Jahre zwischen der Geburt von Eltern und Kindern - nur wenige Jahrzehnte. Wenn eine Phase mit mehreren feuchten Jahrzehnten zu Ende ging, hatten die meisten Menschen also keine eigene Erinnerung mehr an das vorangegangene trockenere Klima. Selbst heute neigen die Menschen dazu, in guten Jahrzehnten Produktion und
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