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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps
Autoren: Jared Diamond
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Bevölkerungszahl zu steigern, und dabei vergessen sie (oder wussten es früher überhaupt nicht), dass solche Jahrzehnte wahrscheinlich kein Dauerzustand sind. Wenn die gute Phase dann zu Ende geht, ist die Bevölkerung so groß, dass nicht mehr alle versorgt werden können, oder es haben sich Gewohnheiten breit gemacht, die sich nicht für die neuen Klimaverhältnisse eignen. (Man denke nur heute an den trockenen Westen der USA, wo in Städten und auf dem Land Wasser im Übermaß verbraucht wird; häufig stammt diese Gewohnheit aus feuchteren Jahrzehnten, wobei man stillschweigend annahm, sie seien typisch.) Verschärft wurden solche durch Klimawandel verursachten Probleme, weil viele Gesellschaften früherer Zeiten nicht über »Katastrophenhilfemechanismen« verfügten, die einen Import von Nahrungsüberschüssen aus Regionen mit besserem Klima in die Not leidenden Gebiete erlaubt hätten. Alle diese Aspekte trugen dazu bei, dass Klimaveränderungen für frühere Gesellschaften eine beträchtliche Gefahr bedeuteten.
    Natürliche Klimaveränderungen können für eine Gesellschaft bessere oder schlechtere Bedingungen schaffen, und manchmal profitiert eine Gesellschaft davon, während eine andere darunter leidet. (Wie wir beispielsweise noch genauer erfahren werden, war die kleine Eiszeit für die Norweger in Grönland schlecht, für die Inuit in Grönland aber gut.) In vielen historischen Fällen konnte eine Gesellschaft den selbst verschuldeten Ressourcenverlust verkraften, solange ein freundliches Klima herrschte; wenn es dann aber trockener, kälter, heißer, feuchter oder unbeständiger wurde, geriet sie an den Rand des Zusammenbruchs. Soll man den Zusammenbruch in einem solchen Fall auf die Umweltschädigung durch die Menschen oder auf den Klimawandel zurückführen? Hier stimmt keine der beiden einfachen Alternativen. Hätte die Gesellschaft ihre Ressourcen nicht bereits teilweise erschöpft, hätte sie den durch den Klimawandel verursachten Verlust wahrscheinlich überstanden. Umgekehrt hätte sie aber auch den selbst verschuldeten Ressourcenmangel verkraftet, wenn die Ressourcen nicht durch die Klimaveränderung noch weiter geschrumpft wären. Keiner der beiden Faktoren war die alleinige Ursache, sondern als tödlich erwies sich die Kombination aus Umweltschädigung und Klimawandel.
    Ein dritter Faktor sind feindliche Nachbarn. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, siedelten Gesellschaften in historischer Zeit immer so eng, dass zwischen ihnen zumindest in einem gewissen Umfang Kontakte bestanden. Die Beziehungen zwischen Nachbargesellschaften können vorübergehend oder auf Dauer feindseliger Natur sein. Solange eine Gesellschaft stark ist, hält sie ihre Feinde unter Umständen auf Distanz, aber wenn sie aus irgendeinem Grund - beispielsweise durch eine Umweltschädigung -geschwächt wird, unterliegt sie. Der unmittelbare Anlass des Zusammenbruchs ist dann die militärische Eroberung, aber der eigentliche Grund - der Einfluss, dessen Veränderung zum Zusammenbruch führte - ist derjenige, der die Schwächung herbeigeführt hat. Deshalb verstecken sich Zusammenbrüche aus ökologischen oder anderen Gründen häufig hinter militärischen Niederlagen.
    Die bekannteste Diskussion um eine solche Verschleierung betrifft den Untergang des weströmischen Reiches. Rom war zunehmend den Invasionen fremder Völker ausgesetzt, und als Datum für den Sturz des Reiches wird üblicherweise ein wenig willkürlich das Jahr 476 n. Chr. genannt, als der letzte weströmische Kaiser abgesetzt wurde. Aber schon vor dem Aufstieg des römischen Reiches hatte es »Barbarenstämme« gegeben, die in Nordeuropa und Zentralasien jenseits der Grenzen des »zivilisierten« Mittelmeerraumes lebten und diesen zivilisierten Teil Europas (wie auch die zivilisierten Regionen Chinas und Indiens) immer wieder angriffen. Mehr als tausend Jahre lang konnte Rom die Barbaren fern halten, so beispielsweise im Jahr 101 v. Chr. als eine große Invasionsarmee aus Kimbern und Teutonen auf den Campi Raudii abgeschlachtet und an der Eroberung Norditaliens gehindert wurde.
    Am Ende jedoch blieben nicht die Römer, sondern die Barbaren Sieger. Was war die eigentliche Ursache dieses Schicksalsumschwunges? Lag es daran, dass die Barbaren selbst sich verändert hatten und beispielsweise zahlreicher oder besser organisiert waren, bessere Waffen oder mehr Pferde besaßen oder von dem Klimawandel in den Steppen Zentralasiens profitierten? Wenn es so war, müssen wir
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