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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri
Autoren: Jürgen Benvenuti
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begann.
    â€žIch würde da nicht reingehen“, rief ihm der Arbeiter nach, der wohlweislich außerhalb des Labors geblieben war und flach durch die Nase, die er mit einem Taschentuch schützte, atmete.
    â€žKeine Sorge“, sagte Karl, „das Zeug ist nicht gefährlich.“ Und dann fiel ihm wieder ein, dass Schrempf rot geworden war, als er ihn gefragt hatte, was sich in den Glasröhrchen befinde. Er drehte sich um, wischte sich mit dem Ärmel des Kittels übers Gesicht und sagte: „Ich glaube, es ist wohl das beste, wenn Sie den Chef verständigen.“
    Der Arbeiter nickte. „Mach ich sofort“, sagte er und schien froh zu sein, sich stilvoll aus der Affäre ziehen zu können.
    Karl entfernte einen Metallsplitter aus dem roten Plastik und drückte mit aller Kraft den Knopf des Abzuges. Nichts. Natürlich. Er hatte vorhin nicht funktioniert, warum sollte er es jetzt tun?
    Das Atmen fiel ihm immer schwerer. Keuchend nahm er ein paar Teile auf und warf sie in der Ecke auf einen Haufen, als das Telefon läutete. Karl hob ab, erstaunt, dass es noch funktionierte, räusperte sich und sagte mit leiser Stimme: „Ja?“
    â€žBaumgartner, Sie Vollidiot, machen Sie, dass Sie aus dem Labor kommen! Schließen Sie die Tür hinter sich und melden Sie sich umgehend bei Doktor Lehner.“
    â€žHerr Berger“, sagte Karl, „es …“, dann merkte er, dass Berger schon aufgelegt hatte.
    Er platzierte den Hörer vorsichtig auf der Gabel und wischte sich die Tränen aus den Augen. Während er zur Tür ging, fing er an zu husten.
    â€žRosenöl, sagten Sie?“
    Karl zuckte mit den Schultern. „Das zumindest hat Schrempf behauptet.“
    Lehner lächelte gequält und strich sich eine Strähne seines akkurat geschnittenen grauen Haares aus der Stirn. „Würde Schrempf lügen?“
    â€žWürde das Fernsehen lügen?“
    â€žDann können Sie ja beruhigt sein.“ Er warf einen letzten Blick auf Karls Augen, ließ ihn nochmals den Mund aufreißen und hörte seine Brust mit dem Stethoskop ab.
    Karl saß in der Unterhose auf der mit einer Papierbahn bedeckten Liege und starrte an die Wand. Seine Kleidung lag als Haufen auf dem Sessel, der vor Lehners Schreibtisch stand, der Laborkittel hing über der Lehne, seine Turnschuhe standen davor, auf einem Stück Krepppapier.
    â€žIn Ordnung“, sagte Lehner, „Sie können sich wieder anziehen.“
    Karl sprang von der Liege und angelte sich seine Jeans vom Sessel. Während er hineinschlüpfte, musterte er Lehner, der sich gerade mit dem Handrücken über den Mund fuhr, aus den Augenwinkeln. Der Arzt trug einen schokoladenbraunen dreiteiligen Anzug unter einem weißen Kittel, der ein wenig zu eng schien. Unter seinem rosafarbenenHemd wölbte sich ein kleiner, harter Bauch, auf dem die Spitze einer metallblauen Krawatte mit breiten silberfarbenen Schrägstreifen ruhte. Lehner wirkte wie einer dieser gutmütigen, ein wenig altmodischen Ärzte aus Fünfzigerjahre-Filmen. Karl konnte sich in etwa vorstellen, was für eine Qual es für diesen so offensichtlich nicht hierher passenden Mann bedeutete, an zwei Tagen die Woche in dieser Schuhschachtel von einem Zimmer präsent sein zu müssen. Der Raum maß knappe zehn Quadratmeter, bot gerade genügend Platz für die Liege, den zerkratzten Schreibtisch samt quietschendem Drehstuhl und einer Art Kommode mit drei Schubladen, in denen sich weiß Gott was befand und auf der ein kleiner pelziger Kaktus auf einer braunen Untertasse vor sich hinmoderte. Vom einzigen Fenster hatte man einen tollen Blick auf die Simmeringer Hauptstraße und die vorbeifahrenden Autos und Straßenbahnen. Schließlich riss er sich aus seinen Gedanken und fragte: „Und?“
    Lehner umrundete den Schreibtisch, legte das Stethoskop neben ein kleines gerahmtes Foto auf die Arbeitsfläche und ließ sich in seinem gefederten Ledersessel nieder. „Wahrscheinlich nichts Gefährliches.“
    â€žWahrscheinlich?“, fragte Karl und knöpfte seine Hose zu.
    Lehner zog die unterste Schreibtischschublade ein wenig heraus, warf einen Blick hinein und schob sie energisch wieder zu. „Sieht wirklich nach Rosenöl aus. Ein bisschen stärker konzentriert als sonst, scheint mir, aber nicht gefährlich.“
    â€žUnd meine Augen? Der Husten? Die roten Flecken an Hals und
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