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Königskinder (German Edition)

Königskinder (German Edition)

Titel: Königskinder (German Edition)
Autoren: Erica Fischer
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dunkel und muffig, aber zumindest nicht feucht, dort schlafe ich jetzt. Für dieses Schnäppchen zahle ich 25 Shilling die Woche, was mir wenig zum Leben lässt. Glücklicherweise esse ich so wenig, dass ich dafür kaum etwas ausgebe. Ich habe versucht, etwas anderes zu finden, und war schon fast so weit, ein wunderschönes Zimmer in einem modernen Haus, aber als die Frau mich fragte, wo Du denn seist, und ich ihr sagte, Du seist interniert, hat sie abgewunken. Jetzt bin ich zu müde für weitere Veränderungen. Ich möchte nur wissen, ob Du kommst oder nicht, denn für mich allein brauche ich nur ein Zimmer. Mr. Williams hat endlich eine Antwort erhalten, die Entscheidung wird in den nächsten zwei Wochen gefällt. Das bedeutet nichts, denn vor zwei Monaten haben sie mir Ähnliches geschrieben. Mein zweiter Brief wurde nicht beantwortet. Mr. Williams glaubt jetzt nicht mehr daran, dass Du kommen wirst, alle denken, es müsse Gründe geben, warum Du immer noch interniert bist, und sehen mich schon misstrauisch an. Meine Position ist schwieriger als Deine, was paradox ist, weil ich doch als Polin mit den Deutschen nichts zu tun habe. Es ist mir egal geworden, ob ich lebe oder nicht, vor mir liegt eine düstere Zukunft, in der ich immer allein sein werde. Niemand ist da, um mir zu helfen, um mich zu beraten, um mir die Last der Verantwortung zu nehmen. Darling, versuch herauszufinden, ob Du kommen wirst oder nicht. Ich kann so nicht weitermachen, ich arbeite zehn Stunden am Tag und schlafe und esse kaum. Nur meine Nerven halten mich auf Trab.
Schau auf Dich und tu so, als gäbe es mich gar nicht. Ich mag Deine Briefe, aber ich selbst sollte lieber zu schreiben aufhören, denn meine Briefe bereiten Dir kein Vergnügen. In diesen 18 Monaten habe ich mich sehr verändert, es gab zu viel Grausamkeit, Ungerechtigkeit und Einsamkeit in meinem Leben. Ich bin erschöpft wie ein gejagtes Tier in einem fremden Land, immer in der Defensive, obwohl ich mich anstrenge, offensiv zu sein. Ich habe keine Wünsche mehr, keine Hoffnungen. Ich kann niemanden leiden. Vielleicht wird es wieder anders, wenn du da bist, dann werde ich stundenlang in Deinen Armen weinen und mich danach besser fühlen. Aber Du wirst niemals kommen, unser Schicksal ist Trennung. Vielleicht lassen sie Dich gehen, wenn ich krank werde.
Jetzt ist es ein Uhr in der Nacht, und ich muss morgen wieder arbeiten. Aber ich kann nicht schlafen. Meine wirren Gedanken wechseln zwischen tiefster Trauer und brennendem Hass. Sei nicht beunruhigt, Liebster, dieser Brief ist bloß ein Ausbruch, damit ich weitermachen kann, besser als ein Nervenzusammenbruch. Und mach Dir keine Sorgen wegen Weihnachten. An einem Tag werde ich arbeiten, und den anderen werde ich schon irgendwie über die Runden bringen. Denk nicht an mich, denk nur an Dich selbst, in dieser grässlichen Welt muss man egoistisch sein. Eines Tages wirst Du glücklich sein.
Deine Irka
    Als Antwort auf Irkas Anfrage vom neunten Oktober sendet das Innenministerium ihr am siebzehnten Dezember einen Vordruck, in dem ihr mitgeteilt wird, dass die Abteilung für Ausländerfragen des Innenministeriums ihren Mann zwecks Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entlassen werde. Unverzüglich schickt Irka Erich ein Telegramm mit der freudigen Nachricht. Gemeinsame Weihnachten sind ihnen jedoch nicht vergönnt.
24. Dezember 1941
Liebste Irka, danke für das langersehnte Telegramm. Leider werde ich Dir das genaue Datum meiner Ankunft erst am Tag meiner Abreise telegraphieren können. Du wirst es also nur wenige Stunden vorher erfahren. Ich schreibe Dir, obwohl dieser Brief wahrscheinlich erst nach meiner Ankunft eintrifft. Weihnachten wird wieder einsam sein, aber mit einem Herzen voller Hoffnung und Freude. Wie ich Dir schon geschrieben habe, dauert es meistens noch eine Woche nach der offiziellen Benachrichtigung. Bemühe also nicht das Fundbüro, wenn ich später eintreffe, als Du es erwartest. Ich bin nicht verlorengegangen, sondern warte nur. Warte, warte auf den großen Augenblick.
Dein Eric
31. Dezember 1941
Darling, seit einer Woche lebe ich in einer Stimmung fieberhafter Erwartung und schreibe Dir meinen hoffentlich letzten Brief von hier. Ich wurde offiziell am Weihnachtstag von meiner Entlassung verständigt, habe vor ein paar Tagen die Papiere ausgefüllt und dachte, dass ich gestern abreisen würde. Aber wie es zuvor schon in einzelnen Fällen passiert ist, verzögern noch einige Formalitäten mit dem Arbeitsamt in
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