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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Autoren: Tom Wolf
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spreeabwärts reitend – die quer Vorbeifahrenden taxierte.
    Diesem Monarchen, an dem alles groß war, selbst das Herz, hatten die ersten französischen Zuwanderer, die Reformierten, Refugiés oder Hugenotten ihre wohlwollende Tolerierung zu danken. Leicht trunken grüßte Langustier launig durchs Kutschfenster mit seinem Dreispitz zu dem eisernen Reiter hinauf, doch wurde sein Gruß kurioserweise von einigen am Denkmalsfuß gelehnten, äußerst freizügig kostümierten Damen ausgiebigst erwidert. SchmatzendeKüsse warfen sie dem Verdutzten im Vorüberfahren zu, nebst unverständlichen Bemerkungen, die dem begleitenden Lachen nach zu urteilen, von einiger Unverschämtheit gewesen sein dürften.
    Doch dem Begrüßten blieb keine Zeit, nachdenkend bei diesen Damen zu verweilen, denn schon kam man, am Ende der Burgstraße, wo im Joachimsthalschen Gymnasium die Schüler gequält wurden, wieder die Spree überquerend, erneut vor das Schloss, nämlich auf den Paradeplatz am königlichen Lustgarten. Langustier konnte nicht begreifen, dass der König im auswärtig gelegenen Charlottenburg residierte und diesen Paradebau in seiner Hauptstadt unbeseelt verschmachten ließ, der sicher mehrere ausgezeichnet bestückte Küchen umschloss.
    Höchst fremdartig stahl sich dem Elsässer nun auf einmal die ›Schlossfreiheit‹ in den Blick, deren schmale Häuser auf einem Ufergrat zur Spree hin wie eine Reihe Hühner auf der Stange hockten. Angesichts dieses drolligen Widerspiels zur adeligen Schlossmauer musste Langustier hell auflachen, was einen der gelangweilten Wachposten am Schloss veranlasste, drohend seine Pike zu senken. Die Berline rollte jedoch rasch und unverdrossen über die verödeten Kopfsteine und die hölzerne Hundebrücke mit ihrer Zugmechanik in die nunmehr sich ausbreitende Einöde des Zentrums, dessen Umgestaltung erst ihren Anfang genommen hatte.
    Eine Art Dorfstraße mit niedrigen, unregelmäßigen Häuschen und Lindenbäumchen in mehreren Reihen rauschte vorüber, denn man fuhr, dem sprechenden Straßennamen gemäß, ›Unter den Linden‹ dahin. Übers tatsächlich quadratische ›Quarré‹ ging es einem eher unscheinbaren Durchlass oder steinernen Tore entgegen. Dies zweckdienliche, die Kontrolle der passierenden Gefährte und Personen durch seinen Nadelöhrcharakter trefflich unterstützende Gebäude hatte immerhin den Adelszusatz ›de Brandenbourg‹ verliehen bekommen. Schon mahlten die Räder der Berline den tiefen Sand der Allee, die unterm dichten Laubwerk des ausgedehnten königlichen Tiergartens verschwand – einer sumpfigen Wildnis,die im Sommer einen süßlich-verwesenden Duft ausströmte und Myriaden von Stechmücken auf die Hauptstadt losließ.
    Die Damen wollten es sich nicht nehmen lassen, den weiten Umweg einzuschlagen, um ihre erschöpften Schützlinge sicher am Ziele angelangt zu wissen. Der Himmel verdüsterte sich zunehmend, und ein ebenso fürchterliches wie zum Glück kurzes Gewitter brach über die Reisenden herein. Laut schlug der Regen aufs Kutschdach und ertränkte sogar die Flüche des Kutschers, dessen Peitschenschwünge nun eher den Charakter von Ruderbewegungen annahmen. Ein Stern aus einmündenden Alleen wurde durchschwommen, als das Gewitter sich auch schon wieder verabschiedete. Ganz deutlich, bevor das Cöpenicker Bier ihn doch zu guter Letzt noch einnicken ließ, waren für Langustier zwei Pistolenschüsse im vorabendlichen, hier nun üppigst verholzten Park zu hören. Durch die klare, vom Staub des Tages gereinigte Luft erschienen überhaupt alle Geräusche, vor allem die Lautäußerungen der Natur, nun wie verstärkt. Ein Schwarm Erlenzeisige erhob sich in der Nähe mit erschrecktem Gezwitscher, was Langustier aber nicht sonderlich im bierseligen Dösen störte. Die Damen fabulierten unterdessen von Fasanen, Kasuaren und anderem exotischen Geflügel, das der Hofjägermeister von Schlieben in der nahen Fasanerie kultiviere und schieße, doch Langustiers feines Ohr kannte den Unterschied zwischen einer Jagdflinte und einer Pistole gut genug, um in diesem Punkte seine eigene Meinung zu haben und bei sich zu behalten.
    Mit dem letzten Büchsenlicht kam der Wagen in dem kleinen, unter Friedrich I. auf dem Reißbrette entworfenen Städtchen Charlottenburg zum Stehen. Das aparte Schloss leuchtete verheißungsvoll nahebei in schwachem Fackellicht am Ende einer prächtigen, effektvoll mit weit vorgesetzten Torbauten abgeschlossenen Straße, während sich eine letzte Abendröte
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