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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Autoren: Tom Wolf
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niederschlug und errötete.»Welch einen Ausruf des Entzückens gab der Graf von sich, als er meine kleine philosophisch-literarische Küchenbibliothek erblickte! Ich liebe es nämlich, müssen Sie wissen, während der Arbeit – in wohlabgemessenen Pausen, versteht sich – zu lesen, habe ich doch in dieser Hinsicht viel nachzuholen, denn in meiner Jugend war mir diese geistige Nahrung von meinem Vater streng missgönnt worden.
    Einen Band von Voltaires Schriften wie eine Jagdbeute oder einen Schatz präsentierend, begann nun der Herr von Dufour aufs Lebhafteste, ein eigenes Gedicht auswendig herzusagen, und zwar eine Ode, die er nach eigenem Bekunden seinem Freunde Voltaire gewidmet hatte. Man stelle sich meine Glückseligkeit vor, einen leibhaftigen Freund des herrlichen Voltaire, dieses hellsten Leitsternes unseres lichtsüchtigen Jahrhunderts, in meiner dunklen, fettbespritzten Küche vor mir zu sehen und zu hören! Leider konnte ich in meiner Aufregung rein gar nichts vom Rezitierten behalten … Dies alles, meine Damen, geschah in reinem, distinguiertem Französisch, was mich bei einem böhmischen Grafen doch reichlich stutzig machte. Wieder meiner Bibliothek zugewandt, meinte er: ›Sie sind ein außergewöhnlicher Mensch, mein Herr!‹ Sprach’s, blätterte erst im ›Geizigen‹ von Molière, danach in Réaumurs ›Geschichte der Insekten‹, um übergangslos zu fragen: ›Wie können Sie in diesem dumpfigen katholischen Lande leben? Wollen Sie hier gar noch zugrunde gehen?‹
    Wollte ich ewig in diesem langweiligen, gottesfürchtigen Strasbourg bleiben? – Mesdames, das war eine den Kern meines Lebens betreffende Frage. Ich konnte mich kaum fassen und hätte beinahe die Hasenläufe darüber verbrutzeln lassen. Gerade noch rechtzeitig schnappte ich eine Bouteille Kaiserstühler Weißwein und löschte gehörig ab, dass alles um mich her, der böhmische Graf inbegriffen, in aromatischem Nebel versank. Ich überdachte mein Strasbourger Wirtsleben, dessen behäbige Routine mich langsam abtötete. Ich lebte in meinen wenigen Büchern und kochte die immergleichen Feinheiten – meistens für Personen zweifelhaften Standes, reisende Kaufleute und Militärs, die der Mühe kaum wert waren und meine Kunst mit ihren unentwickelten Gaumen ja doch gar nicht schätzen konnten. Jetzt war mir, als sei mit diesem feingeistigen Edelmann eine frische Brise in mein Dasein gekommen und ein lange im Verborgenen gewachsener Entschluss spruchreif geworden: Strasbourg zu verlassen und anderswo das Glück herauszufordern.
    Unterdessen hatte er den Durchgang ins Freie zu einer kleinen Laube im Kräutergarten bemerkt, die ich mir angelegt hatte, um mich nach der tristen Küchenarbeit ein wenig zurückziehen und erbauen zu können. Er bat, einen Blick in den kleinen hölzernen Gartentempel werfen zu dürfen, was ich ohne nachzudenken gestattete, da es im Küchendunst für einen vornehmen Herrn reichlich ungemütlich sein musste, bis mir die Unordnung einfiel, die draußen herrschte!
    Auf einem rosenumrankten Tisch lagen kunterbunt allerlei kleine Skizzen von Kräutern und Blumen, Versteinerungen und Landschaften, Notenblätter und meine Traversflöte, mit der ich zuweilen zur Zerstreuung vor mich hindilettiere. Doch der Graf von Dufour achtete des Durcheinanders gar nicht weiter. Ich hörte ihn einige nicht ungelenke Pfiffe auf dem Instrumente tun und sah ihn mit aufgehelltem, entschlossenem Gesicht wieder den Ort des Kochens betreten. ›Ich werde Sie einem einflussreichen Manne empfehlen, der an seinem jungen Hof die interessantesten Künstler, Literaten, Philosophen, Wissenschaftler und Architekten versammelt. Nichts Willkommeneres gibt es wohl für diesen als einen lesenden und musizierenden, gar philosophierenden Koch. Es ist öde in seiner nordischen Gegend, aber das Offene bietet auch Möglichkeiten. Sie werden wohl bald ein Billet erhalten, und dann müssen Sie sogleich packen und abfahren.‹
    Der Graf hatte dies«, nahm Langustiers Erzählung ihren Fortgang, »mit einer seltsam herrschsüchtigen Bestimmtheit gesagt, weshalbich es für einen Scherz hielt, vor allem, weil er nun kurios verkürzend wieder auf den Anlass seines Hierseins, das Essen, zu sprechen kam.
    ›Doch nun lassen Sie uns das Karnickel probieren. Setzen Sie ruhig noch einige Exemplare an und laden mir ein paar französische Offiziers hinzu, mit denen es mir lieb wäre, mich zu unterhalten.‹
    Ich schickte Marie hinüber ins Militärcafé, und sie hat mir
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