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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Autoren: Tom Wolf
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Szene auf dem Wege kurz hinter Wünsdorf, als ihm das Fräulein von Sonsfeld, Kammerzofe der Königinmutter, auf ansteigendem Wege beim Überrumpeln einer Unwegsamkeit wie der Pfeil Cupidos entgegengeschossen kam und er sie einige höchst interessante Momente lang auf seinem wahrhaft ungeheuren Bauche rudernd vorfand, der freilich den Aufprall von Schnürbrust und Planchette abgefangen hatte, so dass eine purpurne Röte auf den reichgeschminkten Backen des Fräuleins durchschimmerte und sich wie ein unterirdisches Glühen von den weißgepuderten Haaren abhob. Von der Unverschämtheit der französischen Hofdamen, deren Maxime darin bestand, unter dem Schminkstift zu erröten, aber keineswegsvor einem galanten Herrn, war bei den beiden Berliner Schönheiten allerdings wenig zu spüren.
    Dabei ging es doch in diesem Berlin angeblich zu wie im sündigen Babel. Seitdem der ungeliebte Soldatenkönig in Potsdam verendet war, machten immer tollere Geschichten von der sittlichen Auflösung die Runde, von der Putzsucht unter den Stutzern und von dem immer frecher und schamloser werdenden Gesinde. Unwillkürlich fasste Langustier seine Tochter bei der Hand.
    Während sein Blick noch seltsam verwirrt auf dem erschütterten Décolleté vis-à-vis verweilte und sich in seinem Kopf kein vernünftiger Gedanke bilden wollte, ergriff das Fräulein von Tetow, Hofdame der Königin Elisabeth-Christine, das Wort, einer plötzlichen Eingebung folgend, um ihr Interesse vielleicht gerade rechtzeitig noch zu befriedigen, bevor es zu spät wäre:
    »Monsieur – ach bitte, nun schildert uns, wie Ihr dem König zuerst begegnet seid. Wir würden noch so gerne dieses Detail hören.«
    Langustiers Miene entspannte sich und mit bübischem Lächeln sagte er:
    »O – dem König, Mademoiselle, dem
König
bin ich, recht bei Lichte besehen, überhaupt nicht begegnet.«
    Die Wirkung dieser Spitzfindigkeit genüsslich auskostend, die beide Damen in das hellste Erstaunen versetzte, räkelte und wand sich Langustier ausgiebig in seiner Fuchsfelljacke – wodurch der Kutschkasten, elastisch aufgehängt, bedenklich schwankte –, bevor er zur Aufklärung schritt.
    »Es war im ›Rabenhof‹ am Quai des Bateliers N ro. I in der schönen Stadt Strasbourg, Mesdemoiselles«, hob er an, »der Gaststätte, die ich von meinem seligen Vater, Alphonse René Langustier, dem ehemaligen Hofkoch Ludwigs des Vierzehnten, übernommen habe.
    Drei Wochen nun ist’s her, dass ein reichlich sonderbarer Gast die Wirtsstube betrat. Seine Begleiter – ein Herr von Wartenslebenund einige Lakaien, deren auffälligster, ja papageienhaftester, sich Fredersdorff nannte, führten ihn als Grafen von Dufour, einen reichen böhmischen Edelmann, ein.«
    Die Damen lachten über den Papagei namens Fredersdorff, der ihnen durchaus gut bekannt war.
    »Ich hatte das Eintreten dieses merkwürdigen Grafen Dufour – eher klein, leicht untersetzt – schon aus der angelehnten Küchentüre beobachtet. Überzeugt, einen wohlhabenden, gebildeten Mann vor mir zu haben, der es verdiente, nur das Beste vorgesetzt zu bekommen, trat ich an seinen Tisch und pries ihm meine hauseigene Spezialität, junges Kaninchen nach Languedocer Art, nämlich mit frittierten Auberginen, geschmorten Steinpilzen und Tomates concassées, derart beredt an, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als sich in sein Schicksal zu fügen.
    Kaum war ich an meinen Herd zurückgekehrt, kam der ominöse Herr Dufour höchstselbst in die Küche, was mich stark verwunderte, weil es so gar nicht üblich ist und ich es bei Gästen schwer toleriere. Da ich aber Interesse daran hatte, ihn kennenzulernen, ließ ich es mir gefallen, auch dass er allerlei Niäserien daherschwätzte:
    ›Was denken Sie über Tabak? Kennen Sie sich aus mit den Pommes des terres?‹ Was dies sei, was jenes – ob ich schärfer würzen könne als gewöhnlich, ob es Kaffee gebe und ob er weißen Senf hinein haben könne und so fort. Dann verlangte er, diese Kleinigkeiten verlassend, von mir zu wissen, was meines Vaters Herkommen und wie meine derzeitigen Verhältnisse seien.
    Ich gab leutselig Auskunft, erzählte ihm vom Dahinscheiden meiner Eltern, meinen Anfängen als Koch, meiner Verheiratung sowie dem kürzlichen Tod meiner Ehefrau, schließlich von der Bürde, mein Lokal alleine weiterzuführen, treu unterstützt freilich von meiner lieben Marie.«
    Langustier drückte seine siebzehnjährige Tochter an sich, die aus ihren Träumereien erwachte, den Blick
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