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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Autoren: Tom Wolf
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später erzählt, wie sehr die dortigen Offiziere des Regiments Piemont sie zuerst auslachten und irgendein übles Spiel witterten, das ein frecher Kamerad mit ihnen treiben wollte, als sie schüchtern die Einladung überbrachte. Ein wildfremder Adeliger, der einheimische Offiziere an seine Tafel lädt – so etwas hatte es in Strasbourg seit Menschengedenken nicht gegeben. Sie kamen daher aus purer Neugier auf den heimlichen Witzbold und um ihm gehörig die Leviten zu lesen, zögernd in den ›Rabenhof‹ herüber, waren aber bass erstaunt über den Empfang, den ihnen der vermeintliche Graf dort in tadellosem Französisch bereitete.
    Ein Willkommenstrunk und der unwiderstehliche Duft einer ganzen inzwischen garenden Kaninchenbrigade überredeten sie rasch, die Reserviertheit aufzugeben und sich am Tische des spendablen Herrn niederzulassen.
    Der Gastgeber führte von da an das lebhafteste Wort. Des Zuprostens und genüsslichen Speisens war kein Ende. Ich setzte den Tafelnden noch eine Schokoladenmousse, Langues de chat und feinsten türkischen Mokka vor – mit einem Spritzer weißem Senf für den Präses. Als die Offiziere anfingen, libertäre Lieder zu singen, stimmte der böhmische Graf lauthals mit ein, obwohl die Inhalte bald derber und zuletzt sehr anzüglich wurden.
    Erst als er seinerseits begann, die französischen Militärsitten scherzhaft anzuprangern: Unpünktlichkeit, Liederlichkeit, laissez faire und laissez passer, drohte die Geschichte einen heiklen Verlauf zu nehmen. Die Offiziere verstummten, schauten ihn grimmig an, bis ihm fast einer an die Gurgel gesprungen wäre. Mit Mühekonnten meine Tochter und ich sie zu einem friedlichen Abgang bewegen; der Kaiserstühler Wein hat es eben in sich.«
    Langustier wurde unterbrochen, da der Kutscher den Wagen zum Halten gebracht hatte und den Verschlag aufriss mit der gebellten Mitteilung, dass die Pferde ausgespannt und getränkt gehörten, den Gäulen hingen ja schon die Zungen heraus.
    »Lassen Sie uns die Gelegenheit nutzen, meine Liebe«, sagte das Fräulein von Tetow zu ihrer Banknachbarin, dem Fräulein von Sonsfeld, »und Sr. Königlichen Majestät frisch installiertem Leibkoch das Bier der hiesigen Gegend zum Genießen geben.«
    Langustier half den Damen aussteigen, wobei die türkischen Kleider Gefahr liefen, in Stücke zu gehen; schließlich hob er seine Tochter heraus und setzte sie auf den weichen märkischen Boden. Ein ansehnliches Gasthaus mit kleiner Kaffeeschänke nahe dem Weiler Treptow – von Einheimischen die ›Spreebudike‹ genannt – bot einladend ein paar solide Holzbänke im Freien dar. Die Sonne kam heraus, und mit einem Mal wurde es spätsommerlich warm, fast schwül.
    Ein allgemeines Getuschel der dort am Ufer der behäbig fließenden Spree versammelten bürgerlichen Gesellschaft hatte angehoben, als der korpulente Langustier mitsamt Tochter und den beiden Hofdamen aus der Prunkkutsche gestiegen war, sichtlich den Auftritt genießend. Der heranschwänzelnde Wirt, der zugleich Magistratsoberförster war, begrüßte die hohen Ankömmlinge mit vielerlei schlecht betonten, aber herzlich gemeinten, französischen Floskeln. Er brachte auf ihren Wunsch große Krüge ›Cöpenicker Moll-Bieres‹, Butterbrote mit kaltem Rindfleisch und Braunschweiger Wurst, danach Schokolade und Danziger Likör. Honorés Erzählung klang wie folgt aus:
    »Am nächsten Tag stießen zwei aus Kehl nachgereiste Personen zur Gesellschaft des sogenannten Herrn von Dufour: Da war einmal der italienische Schriftsteller Algarotti, der unter Fontenelles Einfluss eine komische Schrift ›Newtonianismus für das Frauenzimmer‹geschrieben hatte, die in meiner Sammlung stand, und die ich – bitte mir dies zu verzeihen – für die allerbescheidenste Schrift halte, die je von einem menschlichen Wesen geschrieben worden ist, weil hehre Gedanken eines wahrhaft großen Kopfes darin auf die dümmlichste Art bagatellisiert werden, was am wenigsten den Damen zur Ehre gereicht, denen sie zugedacht ist. Ich mühte mich daher, diesen Algarotti nicht sogleich meine Aversion spüren zu lassen, was mir einigermaßen gelang.
    Die zweite Person hingegen, eingeführt als ein Graf Schaffgotsch, war schon nach wenigen Worten unschwer als der Bruder Sr. Königlichen Majestät, Prinz August Wilhelm, zu erkennen – nicht zuletzt, weil ihn der übersprudelnde Algarotti öffentlich so betitelte, was sowohl der Angeredete als auch der erwähnte Fredersdorff mit zornig hochgezogenen
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