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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition)
Autoren: Hans Pleschinski
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    Recht weit weg derzeit.
    Für jedwede Zukunftsplanung mochte es vorteilhaft sein, daß er sich vor Jahren von der Deutschen Gemeinde in Shanghai jenes Zertifikat hatte ausstellen lassen: We confirm that according to our records Mr. Klaus Heuser, born April 12th, 1909 in Rome, has not been a member of the N. S. D. A. P. (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) .
    Herr Wieda, der die Bestätigung unterzeichnet hatte, mußte es wissen. Denn Wieda war selbst Parteimitglied gewesen. Unter dem Schutz der Japaner hatten er und die übrigen Nationalsozialisten Shanghais mit Reiswein den Führergeburtstag gefeiert und das Judenghetto von Shanghai geplant. Dicke braune Soße bis an die Stufen des Jadetempels von Yufo-Si. Nur einmal hatte er, Klaus Heuser, an einer arischen Festivität in Fernost teilgenommen und auf scharfes Drängen im dortigen Partei-Orchester Geige gespielt. Doch bereits zu Düsseldorfer Zeiten war sein Violinspiel dermaßen unwägbar gewesen – der kleine Finger glitt bisweilen zwischen die Saiten –, daß nach dem Ball zum Auftakt der Rußlandoffensive kein Volksgenosse ihn mehr um ein Ständchen gebeten hatte. Dabei saß ein Frack ihm angegossener als jedem sonst.
    Er war nicht musikalisch und nicht politisch. Die Herkunft aus einer Künstlerfamilie änderte auch an ersterem nichts.
    Bald Hongkong.
    Doch nun erst einmal die Heimat. Nach achtzehn Jahren. Zehn plus acht – unermeßlich lang. Die Zeit hatte an den Eltern gezaust, aber sie waren durchgekommen. Mutter war weißhaarig geworden. Dadurch wirkte sie eher vornehmer als früher. Die Beine schienen ihr zu schaffen zu machen. Beim Kochen, wenn man Miras hurtige Kreationen aus Bratwurst mit drei wechselnden Gemüsen so nennen konnte, hatte sie sich zwischendurch am Spülenrand abgestützt. Plaudern konnte sie aber parallel zum gelegentlichen Stöhnen. Den Kartoffelschäler handhabte sie flott mit lackierten Fingernägeln. Die Küche hatte Frau Professor stets nur flüchtig wahrgenommen, außer vor Weihnachten, wenn gemeinsam mit den Nachbarskindern Plätzchen gebacken worden waren. Sie liebte den frohen Radau und hatte mit Backbuch und weißer Schürze am Tisch gesessen und dem tobenden Verein Anweisungen erteilt: Die Rosinen erst zum Schluß! Das Zusammenfegen von Mehl und das Abschaben der Bleche hatte stets die Zugehfrau erledigt.
    Eine Schönheit war Mama gewesen. An ihrem Lächeln und ihren Bewegungen waren mißbilligende Blicke der Nachbarn abgeglitten. Auch ihren Garten hatte sie verteidigt: Ich mag, wenn alles durcheinanderwächst. Da sieht man erst, was in der Erde keimt und ans Licht will . Beete sind preußisch, mein Garten ist Karneval . In ihrem Eden hatte sie wahrscheinlich in der ersten Hollywoodschaukel am Niederrhein in Ullstein-Magazinen geschmökert.
    Klaus seufzte. Mamas Redefluß und auch ihre Neigung, einen Kanon, Wenn die Nachtigallen schlagen, ei, wem soll das nicht behagen?, vier, fünf Mal hintereinander zu singen, allein, hatten ihm bereits als Knaben manchmal sehr in den Ohren gehallt. In den vergangenen Tagen hatte sie nicht gesungen, aber gesummt. Vater hatte ungefähr seit dem Ersten Weltkrieg auf Durchzug geschaltet, wenn es an seiner Ateliertür vorbeiträllerte. Vater nahm Farben und Linien wahr. Seine Malkunst hatte die Familie mehr als nur ernährt. Vom sanft Figürlichen, Boote auf dem Lago di Como, war Vater mit den Umbrüchen der Zeit, Revolution, Inflation, wankender Republik, zu grellen Farben und scharfen Konturen gelangt. Die heftige Expression, die in der Luft lag. Der Ruf ins Lehramt an der Akademie hatte nicht lange auf sich warten lassen. Werner Heuser wurde als Avantgardist eingestuft. Um ihn sammelte sich die malende und swingende Jugend der roaring twenties in Düsseldorf. Ein schwarzer Kubaner war bei ihm als Student eingeschrieben gewesen, Pablo, der Zuckerrohr in Violett auf die Leinwand bannte, ein höchst dekorativer Dschungel. Nach dem Beginn der Diktatur war Vater im Amt geblieben und hatte sich möglicherweise geschämt, offenbar viel weniger zu gelten und zu provozieren als die Kollegen, die emigrieren mußten. Beckmann. Kokoschka. Das nun geduckte Schaffen und die Rückwendung des Lehrplans zu volkstümlichen Aquarellen und Bildmotiven à la Bückeburgerin stillt Kind fanden ihr jähes Ende, als sein Gemälde Harlekin , ein dunkelhäutiger Bursche, vielleicht durch Pablo beeinflußt, ohne naturalistisches Gesicht – statt dessen ein vager Schatten – bei der Ausstellung
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