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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition)
Autoren: Hans Pleschinski
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in München als degenerierte Kunst angeprangert wurde. Danach ging es schnell. Als «Kulturbolschewist» war Vater mit gekürzter Pension in den vorzeitigen Ruhestand entlassen worden, zumal Mira durch ihre Urgroßmutter der ebenso mäzenatisch-fidelen wie jüdischen Bankiersfamilie Oppenheim entstammte. Im Häuschen in Meerbusch hatten Mira und Werner überwintert, gelesen, leise gesungen, mangels Ölfarben Radierungen hergestellt und Waldmeister für eine Bowle gesammelt. Einem amerikanischen Sergeanten, der beim Ende, beim Neubeginn die Häuser nach Werwölfen und Waffen durchforstete, hatte Vater sein Gemälde Drei tanzen nahegebracht. Gegen eine erkleckliche Menge Zigaretten hatte der kunstfreudige Eroberer die Leinwand eingetauscht und sie zwischen seinen Jeepsitzen verstaut.
    Klaus Heuser fröstelte, und er seufzte abermals.
    Falls Vater seine Staffelei nicht anschwieg, teilte er diesen rheinischen, vielleicht sich selbst genügenden Redefluß seiner Gattin. Beide gönnten sich auch tagsüber schon mal einen Sekt. Das Paar hatte sich an laute Gedankenfetzen, unvermittelte Ausrufe hinter der Tür, gar an Zwiegespräche mit sich selbst, Jetzt? – Nein, mach’ ich später , gewöhnt. Zwei Generationen zuvor mußte es im Haushalt von Mutters Familie noch erheblich wirrer und beklemmend zugegangen sein; sein eigener Urgroßvater, der Historienmaler Alfred Rethel, ein Meister von Kaiserbildnissen und Totentänzen, war geistig umnachtet verstorben.
    Für Fremde, für Dritte, vor allem wenn man fast zwei Jahrzehnte in Übersee verbracht hatte, war jedenfalls ein unverwüstliches Gehör vonnöten, um in Meerbusch mitunter zeitgleiche Ansprachen zu verkraften: Klaus mag meine Bratwürste. Nach dem ewigen Fisch in Bombay – Shanghai, Mama. – Da schmeckt ihm was Solides. – Weißt du noch, Klaus? – Was, Papa? – Wie ich dir drei Stehkragen nach Sumatra geschickt habe, damit du vor den holländischen Pfeffersäcken bella figura machst? – Unser Kläuschen macht immer bella figura. So ein Unsinn, Werner, auch Schokolade in die Tropen zu versenden. – Der Junge hat vielleicht Mozartkugeln daraus gemacht. Klausi ist doch pfiffig. – Trink doch, Klaus! – Will Anwar nicht auch mal einen Schluck probieren. Mohammedaner hin, Mohammedaner her, Fliederbeerlikör wärmt auf. Und außerdem: al-kuhul ist ein arabisches Wort. Die haben tüchtig gebraut, als sie ihre Hochblüte hatten. Vielleicht weil sie gebraut haben. – Papa, Anwar spricht einige Sprachen, aber nicht Arabisch. – Sag’ ich doch. – Was sagst du, Mama? – Zeig ihm mal die Oper. Eine Oper haben sie im Pazifik nicht. – Zeigen allein, Mira, nützt bei der Oper wenig. Bald ist die Sommerpause vorbei. Rein in den Fidelio. Die Mödl singt. Für hohen Lohn, kann Liebe schon, auch hohe Leiden tragen … – Jetzt beherrsch dich, Werner. – Trifft doch zu, was da gesungen wird. – Klausi, wohin geht ihr?
    Nein, gebrochen waren die Eltern nicht und auch nicht engstirnig geworden. Gleich nach dem Krieg war Vater wieder in Amt und Würden eingesetzt worden. Erstaunlich unbekümmert oder im festen Glauben an Kultur oder weil er rege sein mußte, hatte er die Kunstakademie wieder zum Leben erweckt, war sogar deren Direktor geworden. Nun, im ordentlichen Ruhestand, setzte er mit Pinsel und Palette sein früheres Werk fort. So würde man selbst altern wollen. Dann und wann lasen Mira und Werner sich Dramen vor, und ihre Nachtwäsche hing morgens zum Lüften über einer spanischen Wand.
    Aber es schepperte in Klaus’ Ohren. An Familienleben war er nicht mehr gewöhnt. Der Mittvierziger strich sich über den Kopf; die Fingerkuppen berührten das dunkel glänzende Haar kaum; der Seitenscheitel saß perfekt. Die Mischung aus Kokosöl und Ylang Ylang hatte der chinesische Pflanzenkrämer auch gegen den Haarausfall empfohlen. Klaus Heuser wippte mit dem übergeschlagenen Bein. Schuhe mit perforierter Herzkappe waren womöglich sein Markenzeichen geworden. Der Terrier einer Spaziergängerin schnüffelte genüßlich am Leder, das wohl noch nach fremder Welt duftete. «Komm, Roland.» Der Vierbeiner hechelte zu Frauchen zurück. Klaus mußte lächeln. Wo war es gewesen? – In München. Wann? Ende der zwanziger Jahre. Im Garten. Oder auf einem Isarpfad. Die ganze Bande war beisammen gewesen … Ricki Hallgarten, Kronprinz Klaus, Erika, die Unverwüstliche, und ein paar Halbwüchsige aus der Nachbarschaft. Ein großer Sommer. Voller Wildheiten. Nach einem Bummel durch
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