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Königin der Schwerter

Königin der Schwerter

Titel: Königin der Schwerter
Autoren: Monika Felten
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wohnten, Licht zu spenden.
    Aideen blinzelte, drehte sich um und versuchte durch die Luftschächte einen Blick nach draußen zu werfen, konnte aber kein Tageslicht erkennen. Seu f zend ließ sie sich auf die Felle zurücksinken, schloss die Augen und atmete tief durch, während sie versuc h te, sich an den seltsamen Traum zu erinnern.
    Du wandelst auf den Sternen.
    Das Land wird grün, wo immer du gehst.
    Im Norden erhebst du dich, wenn die Zeit geko m men
    und die Raben sprechen.
     
    Aideen murmelte die Sätze leise vor sich hin. Z u nächst noch unsicher, dann mit immer festerer Stimme rez i tierte sie die Worte der Prophezeiung, die ihr so sehr vertraut waren und die zu hören schon niemand mehr zu hoffen gewagt hatte.
    Niemals zuvor hatte Aideen eine Vision empfa n gen, und doch gab es für sie keinen Zweifel daran, dass dies nicht einfach nur ein Traum gewesen war. Ihr Herz machte vor Freude einen Satz, als sie be g riff, was das bedeutete: Die Gebete der Hüterinnen waren en d lich erhört worden! Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis die letzte Hohepriesterin von Benize von den Toten zurückkehrte, um das alte Reich neu ersta r ken zu lassen.
    Aideen wusste, dass es ihre Pflicht war, ihrer Au s bilderin unverzüglich von dem Traum zu beric h ten, selbst wenn sie diese dafür wecken musste.
    Und wenn sie mir nicht glaubt? Unschlüssig be o bachtete Aideen die Flamme der erlöschenden Nach t kerze, die in dem kupfernen Halter ums Übe r leben kämpfte. Ich bin keine Seherin, warum sollte sie mir glauben?
    Du wandelst auf den Sternen … Ein letztes Mal sprach sie leise die Worte, von denen es im Buch der Hüterinnen hieß, dass sie das neue Zeitalter einleiten würden. Sie dachte an das, was sie über die Propheze i ung wusste.
    »Hütet euch!«, sollte Zarife, die letzte Hohepriest e rin Benizes, kurz vor ihrem Tod dem Feind zugerufen haben. »Hütet euch, denn ich werde nicht ruhen, ehe gesühnt ist, was ihr mir angetan habt. Wenn die R a ben sprechen, sollt ihr erzittern und in Furcht ersta r ren, denn dann ist der Tag der Rache nicht mehr fern.«
    Und die Raben haben gesprochen – zu mir, dac h te Aideen stolz. Unter den Hüterinnen gibt es gen ü gend Frauen, die älter, erfahrener und gewiss auch weiser sind als ich. Sollen sie entscheiden, was zu tun ist.
    Leise richtete sie sich auf und schlüpfte aus dem Bett. Fröstelnd entzündete sie eine neue Kerze und steckte sie in den Halter. Während sie sich ankleid e te, ließ sie die beiden anderen jungen Novizinnen, mit denen sie den Schlafraum teilte, nicht aus den Augen.
    Mel und Orla schliefen tief und fest, ihr Atem ging ruhig und regelmäßig. Sie schienen keine Vision em p fangen zu haben. Aideen hatte nicht vor, sie zu w e cken. Was sie erlebt hatte, ging die beiden nichts an – noch nicht.
     
    ***
     
    »Was sagst du da?« Karadek, oberster Regent von To r pak, Präses des Waldlands und Souverän des Hoc h lands von Alt-Benize, setzte den Weinkelch so rucka r tig auf die Tischplatte, dass sich ein Teil des roten Saftes über das edle Holz ergoss. Auf seiner Stirn zeigte sich zw i schen den buschigen Brauen eine steile Falte. »Wann?«
    »Heute Nacht, Herr.« Der Junge in der rot-blauen Kluft der Dienstboten schaute den Herrscher kurz an, wandte den Blick aber sofort wieder dem Boden zu, als fürchte er, jeden Augenblick Opfer des Jä h zorns zu werden, für den der Regent so gefürchtet war.
    »Bei den schwarzen Pforten des Halvadal, warum erfahre ich das erst jetzt?«, fuhr Karadek den Pagen an, als trüge dieser die Schuld an der Verzögerung. Der Atem des Regenten ging schnell, sein Gesicht war vor Zorn gerötet. Mit einer ungehaltenen Bew e gung griff er nach dem weißen Mundtuch, säuberte seinen Mund vom Wein und stand auf.
    Obwohl früh ergraut und von unterdrücktem Kummer gezeichnet, hatte er nichts von der drakon i schen Ausstrahlung verloren, die ihm in den fün f zehn Jahren seiner Regentschaft nicht nur Respekt und Eh r furcht im Volk verschafft hatte. Seine au f brausende Art, die oft zu vorschnellen und nicht immer weisen Entscheidungen führte, war im ganzen Land gefürc h tet. Nicht wenige, die seinen Zorn geweckt hatten, hatten dies mit dem Leben bezahlt.
    Die harte und oft grausame Hand, mit der er das Reich von Torpak aus regierte, hatte dazu geführt, dass sich immer mehr Menschen gegen ihn wandten. Viele schlossen sich den Rebellen an, die von jeher gegen die Herrschenden in Torpak kämpften. In der Zeit seiner
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