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König für einen Sommer: Roman (German Edition)

König für einen Sommer: Roman (German Edition)

Titel: König für einen Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Jochen Till
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konnten. Es stand zwischen uns und ich wusste nicht, wie groß es war.
    »Bist du mir noch böse wegen damals?«, fragte ich zaghaft und schaffte es nicht, sie dabei anzusehen.
    »Nein ...«, sagte sie, »nicht böse. Ich war dir nie böse. Ich war wütend, ja. Zuerst war ich wütend. Du warst so ... so dumm. Und so ungerecht.«
    »Ich weiß. Jetzt weiß ich es. Damals wusste ich nichts. Es tut mir Leid.«
    »Warum hast du dich nie wieder gemeldet? Ich habe immer darauf gewartet.«
    »Ich ... ich weiß es nicht. Ich wollte dich vergessen, mit aller Gewalt. Ich ...«
    Sie berührte meine Wange, drehte meinen Kopf und sah mir direkt in die Augen. »Es ist okay. Lass uns nicht mehr darüber reden. Es ist schön, jetzt hier mit dir zu sitzen. Das ist alles, was zählt. Einverstanden?«
    »Okay.« Oh Kelly, süße Kelly. Mein alles verzeihender Engel. Alles würde so werden wie früher.
    »Nur eins musst du mir noch versprechen«, sagte sie und umfasste meinen Kopf mit beiden Händen. »Du darfst dich nicht mehr in mich verlieben. Versprichst du mir das?«
    Fast alles würde so werden wie früher. Ob ich das könnte? Mich nicht in Kelly verlieben? Ich war jeden Tag, an dem ich sie gesehen hatte, in sie verliebt gewesen. Kann man sich vornehmen nicht verliebt zu sein? Konnte ich mir vornehmen mich nicht in meine Kelly, süße Kelly zu verlieben? Ich würde es versuchen.
    »Versprochen«, sagte ich.
    »Gut.«
    Wir nippten beide an unseren Gläsern, um die notwendige Pause zu überbrücken.
    »Erzähl mir von Amerika«, setzte ich wieder ein. »Hat es dir dort gefallen?«
    WÄHREND KELLY mir ausführlich von ihrem Amerikaaufenthalt erzählte und ich es genoss, ihr zuzuhören, war die Stimmung im Saal auf ihrem Höhepunkt angelangt. Die Tanzwütigen beschränkten sich nicht mehr auf die ihnen zugeteilte, für die Menge viel zu kleine Fläche und sprangen auf Tische, Stühle und andere Möbelstücke, die, wie sich herausstellte, oft stabiler aussahen, als sie tatsächlich waren. Beckmann stand neben dem dicken DJ Depp und durchwühlte dessen Platten. Als ich sah, dass er strahlte wie ein Honigkuchenpferd, wusste ich, er hatte etwas nach seinem Geschmack gefunden. Er merkte, dass ich ihn beobachtete, und streckte das Cover der ersten Madness-LP in die Luft, worauf ich begeistert meine Daumen hochhielt.
    Die ersten Töne von »One Step Beyond« erklangen und unsere gesamte Crew brach in Jubelgeschrei aus. Als Beckmann danach noch »If I should fall from Grace with God« von den Pogues auflegte, waren wir nicht mehr zu halten. Kelly und ich schlossen uns den anderen an, aber von Tanzen konnte hierbei keine Rede mehr sein. Bunthemden und Madonna-Püppchen flogen quer durch den Raum, poguen ist nichts für Weicheier. In Theo hatte ich schnell ein Opfer gefunden und Kelly schoss sich mit auf ihn ein. Pia stand währenddessen ruhig am Rand und beobachtete uns mit Argusaugen. Kelly kam mir für ihre Begriffe wohl einige Male etwas zu nahe, und wie ich Pia kannte, würde sie das nicht ungestraft lassen. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, was dann geschah. Pia war verdammt schnell, wenn es um die Verteidigung ihres Reviers ging. Sie nahm kurz Anlauf, poguete zielstrebig auf uns zu und warf sich mit aller Wucht von hinten gegen Kelly, die sich daraufhin drei Meter weiter auf dem Boden wieder fand.
    »Oh, entschuldige!«, heuchelte Pia. »Tut mir ja sooo Leid! Ich hab dich einfach übersehen.«
    Ich hatte Kelly vorher kurz über Pia aufgeklärt. Sie wusste genau, was Sache war. Sie rappelte sich vom Boden auf.
    »Aber das macht doch überhaupt nichts!«, sagte sie trocken und schickte Pia mit einem gezielten Schlag in die Gesichtsmitte auf die Bretter.
    Um eine Eskalation zu vermeiden, schnappte ich mir Kelly und zog sie weg vom Geschehen nach draußen. Wir setzten uns auf den Bürgersteig gegenüber der Kneipe. Hatten sich gerade wirklich zwei Frauen meinetwegen geprügelt? Das war neu. Und es schmeichelte mir sehr. Sind eigentlich alle Männer so gestört wie ich?
    »Sorry«, sagte ich. »Tut mir echt Leid. Hätte nicht gedacht, dass sie so rabiat wird. Tut's sehr weh?«
    »Mein Arm tut höllisch weh. Bin draufgefallen, als diese Kuh mich umgerannt hat. Hast du eine Zigarette für mich?«
    »Klar, hier.«
    Ich nahm mir auch eine und zündete beide an.
    »Hoffentlich habe ich ihr die verdammte Nase gebrochen!«, fluchte Kelly.
    »Vielleicht ist sie jetzt endlich gerade und sie spart die längst fällige Operation«, versuchte ich zu
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