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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
Autoren: Peter Conrad
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hat mich nicht zu dir gesandt“, stieß er mühsam hervor. „Macht uns das zu Freunden oder zu Feinden, Sohn des Joseph?“
    „Es macht uns nicht zu Feinden, wenngleich ich Zweifel an deinen Absichten hege. Bist du gekommen, um mich zur Sünde zu verleiten?“
    Der Fremde lachte freudlos, ja zornig  auf. „Warum glaubst du, dass ich mit schlechten Absichten gekommen bin? Nur weil ich nicht im Himmel an der Seite des Herrn leben darf?“
    Jeshua hielt einen Augenblick inne. „Nein“, sagte er schließlich. „Aber ich bin mir der Tatsache bewusst, dass viele von euch nur das Ziel verfolgen, den Menschen Schaden zuzufügen. Bist du aus einem anderen Grund hier?“
    Eine Weile schwieg der Fremde. Er schien innerlich hin und her gerissen, konnte sich zu keiner Antwort durchringen und blickte unruhig und mit flackerndem Blick durch die Gegend. „Du bist hier, um etwas für die Menschen zu bewegen“, knirschte er schließlich. „Würdest du das auch für uns Engel tun?“
    Jeshua stutzte, dann nickte er zögernd. „Ja, das würde ich. Vorausgesetzt, ihr schwört eurem Hass auf die Menschen ab.“
    Jeshua hielt einen Augenblick inne. „Es hat dich viel Überwindung gekostet, mich das zu fragen“, stellte er schließlich fest. „Du bist nur hier, weil du Unterschiede machst. Ist dir das bewusst? Der Weg zur Erlösung ist die einfache Erkenntnis, dass Gott keine Unterschiede in der Liebe zu seinen Geschöpfen macht. Wenn du das verinnerlicht hast, bist du frei und kannst gehen, wohin du willst. Dann hält dich nichts mehr hier.“
    Der Fremde erhob sich in einer fließenden Bewegung und zudem so schnell, dass das menschliche Auge es kaum hätte wahrnehmen können. Erst jetzt erkannte Jeshua, wie riesig der gefallene Engel tatsächlich war. Er überragte ihn um mindestens zwei Köpfe und in diesem Moment wirkte er ungemein stark und zugleich unberechenbar.
    „Ich habe einen Auftrag, dem ich nachkommen muss!“, fauchte er. „Gott selbst hat mich und meinesgleichen auf die Erde entsandt, um die Menschen zu verführen. Wie kann ich mich von Gottes Wort lossagen?“
    Der Engel blickte aufgebracht auf Jeshua hinab, seine Fäuste waren geballt und ließen die enorme Kraft, die in ihnen ruhte, überaus bedrohlich wirken. Jeshua trat einen Schritt zurück und betrachtete den Engel, der vor ihm auf dem Weg stand. Noch immer flirrte die heiße Mittagsluft auf dem schmalen Pfad, die Sonne tauchte die Steine in ein hartes und gleißendes Licht und der Staub wehte in dünnen Schleiern über die trockenen Hügel.
    „Ich will dir eine Geschichte erzählen“, erwiderte Jeshua schließlich. Er ließ sich am Wegesrand auf einem Felsen nieder und wies sein Gegenüber mit einer Handbewegung an, es ihm gleichzutun. Verdutzt sah der große Engel auf Jeshuas Hand, die auf einen Felsen neben sich wies. Schließlich setzte er sich zögernd nieder. Seine zornige Miene glättete sich langsam und er blickte den Menschen an seiner Seite aufmerksam an.
    „Es war einmal ein Mann, der hatte zwei Söhne“, begann Jeshua. „Und beide liebten ihren Vater über alle Maßen. Einer der beiden schien wohlgeraten zu sein, denn er bemühte sich stets, alle Gebote seines Vaters zu befolgen. Manchmal gelang es ihm nicht ganz, doch der gute Wille war stets da. Der andere Sohn hingegen war ungebärdig und wild. Oft gab er Widerworte, er stellte sich häufig gegen seinen Vater, gab allzu oft Anlass zu Sorge und Kummer. Die Nachbarn tuschelten, so wie Menschen es eben oft tun, wenn sie etwas bewegt, das sie eigentlich nicht verstehen. Sie sagten: ‚Dieser Junge ist verdorben und wird seinem Vater nur Kummer bereiten. Sein Vater sollte ihn verstoßen.‘ Keiner hatte ein gutes Wort für den Jungen übrig und darüber wurde er nur noch rebellischer und bösartiger.“
    Der Engel winkte ungeduldig ab. „Ich verstehe sehr wohl, was du mir sagen willst, Jeshua. In deiner Geschichte ist der Vater Gott und seine Söhne sind die Engel und die Menschen.“
    Jeshua nickte lächelnd. „Sehr gut. Kannst du mir auch sagen, welcher Sohn für die Engel steht und welcher für die Menschen?“
    „Was ist das für eine Frage?“, lachte der Engel höhnisch. „Der folgsame Sohn steht für die Engel. Wir Engel gehorchen dem Herrn aufs Wort. Nie würde einer von uns auf die Idee kommen, sich gegen den Herrn zu stellen! Es sind die Menschen, die unablässig sündigen.“
    Jeshua lächelte traurig. „Du bist wie die Nachbarn in meiner Geschichte“, sagte er. „Du
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