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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
Autoren: Martin Wehrle
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ansteuerten, wo das Benzin ein paar Cent günstiger ist als bei den Giganten?
    Was würde passieren, wenn Millionen von Verbrauchern ohne Kundenkarte an der Kasse einen Rabatt in selber Höhe wie Kartenkunden verlangten – mit der Ankündigung, ihren Einkauf sonst zurückgehen zu lassen?
    Was würde passieren, wenn Bahnkunden überall dort, wo Schalter abgebaut wurden, auf Auto-Fahrgemeinschaften auswichen – mit dem öffentlichen Angebot, nach Einführung eines Schalters die Bahn wieder zu nutzen?
    Was würde passieren, wenn die Stromkunden der teuren Großanbieter über Nacht zu den günstigeren Firmen wechselten? Wenn Hunderttausende von Hotelgästen an ihren Mini-Bars einen Zettel hinterließen: »Trinke wieder, wenn die Preise fair sind«? Wenn die Lebensmittel-Käufer alle Verpackungen, die von Verbraucherschützern als Schwindel überführt wurden, im Regal liegen ließen? Wenn die Software-Käufer sich weigerten, Updates selbst durchzuführen? Wenn ungehobelte Handwerker keine Aufträge mehr bekämen? Wenn Produkte, die zweifelhaft beworben werden, nicht mehr gekauft würden? Und wenn Kunden jeden unfreundlichen Verkäufer zum Anlass nähmen, ein Geschäft zu verlassen?
    Ich schwöre Ihnen: Diese Botschaft käme an! Dieselben Firmen, die blind für einzelne Kundenbeschwerden sind, nehmen am Seismografen ihrer Umsatzzahlen das leiseste Zittern wahr. Denn so wenig sie von Verbraucherrechten wissen wollen, so sehr beten sie das Gesetz von Angebot und Nachfrage an; ihr nüchternes Motto lautet: »Solange die Nachfrage stimmt, machen wir alles richtig!«
    Und damit haben sie, rein betriebswirtschaftlich, sogar Recht. Warum sollte der Supermarkt-Milliardär zehn Verkäuferinnen in seiner Filiale beschäftigen, wenn fünf denselben Umsatz erwirtschaften? Warum sollte der Bahnchef teure Mitarbeiter an Ticketschalter setzen, wenn die billigen Automaten dasselbe Geld in der Kasse klimpern lassen? Und warum sollten die Ölmultis ihre Benzinpreise senken, wo die Autofahrer doch auch dann bei ihnen tanken, wenn sie mehr verlangen als die freien Tankstellen?
    Doch wenn die Nachfrage schrumpft, die Umsätze stottern, die Kunden zur Konkurrenz flüchten oder zu Hause bleiben – dann, erst dann, werden die Firmenfürsten ins Grübeln kommen. Erst dann werden sie erforschen, was die Kunden abschreckt – und auf eine völlig neue Idee verfallen: Kundenfreundlichkeit!
    Und dann werden die Benzinpreise bei Shell & Co. fallen, werden Kunden ohne Kundenkarte mit Rabatten bedacht, geschlossene Ticketschalter wiederbelebt und hohe Strompreise talwärts fahren. Dann werden Mini-Bar-Getränke erschwinglicher, Lebensmittelverpackungen ehrlicher und Updates wieder von Firmen durchgeführt (wenn sie nicht gleich ausgereifte Produkte liefern!). Dann werden Handwerker zuvorkommend auftreten, Bankberater keine Schrottpapiere mehr verkaufen und Werbespots keine Luftblasen mehr produzieren.
    Erst der Leidensdruck wird die Firmen ihren Servicestärkeregler, der im Moment knapp über null steht, so lange nach oben drehen, bis die Kunden zufrieden sind – und die Umsatzzahlen wieder stimmen. Und Firmen, die sich weigern, unterschreiben ihr eigenes Todesurteil; die Evolution des Marktes wird sie auslöschen.
    Aber ist diese Vorstellung überhaupt realistisch? Sind die meisten Kunden nicht zu bequem, sich den Mühen des Protestes zu unterziehen? Und wer, bitte schön, soll Millionen von einzelnen Menschen zu einer schlagkräftigen Einheit formen?
    Es stimmt: Wir Kunden sind träge und lassen uns viel gefallen – wie die abgestumpften Bürger einer Diktatur. Doch mit jeder Zumutung, die wir schlucken, wächst die Wut. Und eines Tages ist das Maß voll, dann werden die Köpfe der Menschen zu Sprengköpfen, die Münder zu Mündungen, und die Wut explodiert millionenfach.
    Denn wir Kunden, Jahrzehnte auf uns allein gestellt, haben ein Medium an die Hand bekommen, mit dem wir uns in Sekundenschnelle weltweit austauschen können: das Internet. Jede Ohrfeige, die ein einzelner Kunde einsteckt, kann dort in Millionen Ohren nachhallen. Jede Protestaktion, die sich ein Einzelner ausdenkt, kann dort Millionen von Unterstützern finden. Jeder Schwindel der Firmen, der sonst unbemerkt bliebe, kann dort vor den Augen der Öffentlichkeit enthüllt werden.
    Den Wutbürger gibt es schon. Der Wutkunde wird kommen! Der Wutbürger setzt sich gegen Zumutungen der Obrigkeit zur Wehr, etwa gegen das Bahnhofsprojekt »Stuttgart 21«. Der Wutbürger schafft es, dass
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