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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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stieß die Glastür auf, ließ Ellen vorgehen und betrat dann selbst zum ersten Mal seit einer kleinen Ewigkeit seinen früheren Arbeitsplatz.
    Sein Küchentisch-Schreibtisch war wieder die Küchentisch-Redaktionsbibliothek, er sah das Durcheinander aufgeschlagener Bücher und Zeitungen bei einem flüchtigen Blick durch den Türspalt zum Mehrraum-Büro, als er vor Liane Czibulls Machtbereich stand und anklopfte.
    „Was ist denn?“, schrie sie, und er hätte sich am liebsten davongeschlichen. Er sah Ellens erwartungsvollen Blick auf sich ruhen. Er dachte: Wieso klopfe ich überhaupt an? – Und stieß die Tür auf.
    Liane Czibull hockte übellaunig und umdampft von Zigarettenqualm an ihrem Computer. Als sie sah, wer sie da besuchte, besserte sich ihre Stimmung schlagartig.
    „Na, das ist aber eine Überraschung! Was verschafft mir die Ehre?“
    „Tu nicht so, das weißt du genau. Ich will, dass du ehrlich zugibst, in welcher Verfassung ich war, als ich mich in deiner Gegenwart über Ellen äußerte, dass es nicht in der Art war, wie du behauptet hast, und vor allem, dass es das einzige Mal war.“
    Liane Czibull lächelte.
     
    „Kein Problem. Er war hypnotisiert, seine Wortwahl war vielleicht nicht ganz so drastisch, und wir haben seitdem nie mehr über das Kapitel Ellen Frey gesprochen. Recht so?“
    Lothar Sahm, ein wenig verblüfft über ihre Bereitwilligkeit, wandte sich Ellen zu.
    „Hypnotisiert ist sicher übertrieben, aber irgendwie war ich geistig in der Gegenwart, die ich beschreiben sollte, und das war, bevor wir uns näher kannten. Ich weiß nicht mehr genau, was ich alles gesagt habe, aber es war bestimmt nicht mit Vorsatz niederträchtig.“
    „Nein, höchstens ein bisschen zu ehrlich“, mischte sich Liane Czibull freundlich lächelnd ein. Lothar Sahm machte einen schnellen Schritt zu ihrem Schreibtisch und beugte sich nach vorn.
    „Und wenn ich schon mal hier bin, deinen Deal mit meiner Hochzeitszeitung lasse ich mir so auch nicht gefallen!“
    Liane Czibull zog ein mitfühlendes Gesicht und seufzte.
     
    „Da muss ich dich allerdings enttäuschen, in dieser Sache hast du gar nichts mitzureden.“
    „Und ob ich das habe, das ist mein Projekt!“
    „Komisch, die Frau Guttler hat mir das ganz anders erzählt. Aber was hältst du denn davon, bei uns einzusteigen?“
    „Bei euch einsteigen?“
    „Ja, klar, ich hätte dich in den nächsten Tagen sowieso mal angerufen, um dir das anzubieten. Deine Schriftstellerträume sind ja offenbar geplatzt, und du brauchst wieder einen Job. Du bist am Ende, das musst du doch zugeben. Ohne diese Hochzeitszeitung bleibt dir gar nichts mehr. Ich schätze, deine Ersparnisse sind inzwischen aufgebraucht, oder?“
    „Das geht dich überhaupt nichts an“, wehrte sich Lothar Sahm matt. Ellen sah ihn traurig von der Seite an. Liane Czibull stand auf, drückte ihre Zigarette in den übervollen Aschenbecher und kam um den Schreibtisch zu ihm herum. Sie sprach leise und vertrauensvoll, so als wäre sie allein mit ihm im Raum.
    „Ich könnte jetzt meine Ankündigung von damals wahr machen und dich achtkantig rausschmeißen, vor allem, weil wir wegen dir den Europa-Preis nicht bekommen haben, aber ich habe dir verziehen, ich will dir sogar helfen und dir eine zweite Chance geben. Nicht zu den Bedingungen von damals, versteht sich, aber du wirst inzwischen froh sein, wenn du über die Runden kommst.“
    „Und was ist das für ein Job?“
    Liane Czibull reckte das Kinn nach vorn und strahlte.
    „Du bringst deine Erfahrungen in unser Projekt ein, sogar eigenverantwortlich, wenn du willst, aber natürlich auf freiberuflicher Basis. Für jede Hochzeitszeitung, die du machst, zahlen wir dir ein Honorar von, sagen wir mal 100 bis 150 Euro.“
    Lothar Sahm lachte laut auf.
     
    „150 Euro, bist du noch zu retten? Allein Vorgespräche, Polterabend, Standesamt und Hochzeitsfeier kosten mich jedesmal gut und gern 20 Stunden, und danach geht die Arbeit erst richtig los!“
    „Vielleicht auch 200 Euro, ich muss das mal durchkalkulieren. Wichtig ist...“
    „Er braucht Ihren Job nicht, er hat schon einen“, fiel ihr Ellen ins Wort. Sie hatte sich vom Zeitungsstapel auf Liane Czibulls Schreibtisch das oberste Exemplar gegriffen und den Lokalteil aufgeschlagen. Lothar Sahm las: „Die bekannte Wallfelder Fotografin Ellen Frey hat den Auftrag ihres Lebens ergattert: Einer der erfolgreichsten Veranstalter für Multivisions-Diaschauen schickt sie auf Tournee durch die größten
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