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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rinne mit einem milden Lächeln an. Ein Kind ist sie auch noch, dachte sie. Ein zartes Wesen wie aus Porzellan. Sie wird in der Küche schwer arbeiten müssen, man sollte ihr eigentlich eine andere Stelle zuweisen, aber sie soll gerade im Kochen eine große Begabung sein. So jung sie ist – sie hat in Bückeburg schon zwei eigene Wildsoßen komponiert, und ihre Kuchen hat die Schaumburg besonders gelobt.
    Auf Pleß sollte Sophie nun zu einer wirklich großen Köchin werden, denn die Tafelgenüsse des Fürsten waren berühmt. Wo bekam man einen Fasan besser zubereitet als hier? Wo gab es delikatere Hirschkalblenden? Das war die Kunst von Wanda Lubkenski, und ihr Erbe sollte Sophie Rinne einmal antreten.
    »Ich werde dich auch ›Kindchen‹ nennen«, sagte die Fürstin Pleß. »Du wirst dich bei uns wohl fühlen. Wir sind alle fröhliche Menschen …«
    Auch das war ungewöhnlich, und Wanda Lubkenski begann schon darüber nachzudenken, womit sie Sophie in der Küche beschäftigen könnte, um sie nur ja nicht zu überanstrengen. Am besten ließ man sie zusehen, da bekam sie alles mit, lernte viel und wurde nicht durch Arbeit strapaziert. Auch bei der Aufstellung der Speisepläne und der Bestellisten für die Güter konnte sie helfen. Auf keinen Fall kam sie in die große Personalküche, wo für den umfangreichen Hofstaat gekocht wurde. Dort herrschte ein ausgesprochen frivoler Ton, schon durch die Dienerschaft, für die eine Mamsell dazu da war, daß man sie in den Hintern oder in die Brust kniff. Von den Liebesdramen, die sich im Personaltrakt abspielten, erfuhr der Haushofmeister nie etwas. Man machte das unter sich aus, in den Gasthöfen, auf den Feldern, im Garten. Da schlug man sich um die Mädchen, so, wie die Hirsche in der Brunft miteinander forkeln.
    Sophie Rinne bekam ein schönes, kleines Zimmer mit Blick auf den Park. Ein Bett mit geblümter Wäsche befand sich darin, ein Schrank, eine Kommode, ein Waschtisch mit Spiegel, außerdem eine schmale Bank, ein Tisch und zwei Stühle mit geflochtenen Sitzen. Die Dielen waren dunkelbraun gestrichen, am Fenster hingen Gardinen mit bunten Tupfen, und ein Bild hing an der getünchten Wand, ein Buntdruck unter Glas. Es zeigte einen großen Engel mit riesigen weißen Flügeln, der sich über ein blondgelocktes Kind beugte und es vor einem Felsenabgrund festhielt. ›Der Schutzengel‹ hieß dieses berühmte Gemälde, das man in vielen Häusern finden konnte und das schon Tausende Betrachter gerührt hatte.
    »Ruh dich aus!« sagte Wanda zu Sophie, als sie ihr das Zimmer zeigte. »Du bist ja todmüde. Wie lange biste denn unterwegs?«
    »Fast 22 Stunden, immer im Zug. Fünfmal bin ich umgestiegen.«
    »Dann leg dich hin und schlaf.« Wanda blickte an ihr vorbei zur Wand. Der Dienst in der Küche begann für die erste Abteilung schon um fünf Uhr früh, um sechs war die volle Mannschaft da. Jeden Morgen wurde frisch gebacken für den fürstlichen Haushalt. Der gesamte Hofstaat bekam Brot, Brötchen, Hörnchen und Zuckergebäck von der Gutsbäckerei. Dort wurde schon ab zwei Uhr nachts gearbeitet. Aber konnte man verlangen, daß das ›Kindchen‹ auch schon um sechs Uhr in der Küche stand?
    »Morgen bekommst du deine Kleider«, sagte Wanda. »Nach dem Frühstück gehe ich mit dir zur Kleiderkammer.«
    »Und vorher?«
    »Ruh dich aus …«
    »In Bückeburg war ich um sechs Uhr in der Küche.«
    »Wirklich?«
    »Den Kakao für die jungen Prinzen und Prinzessinnen habe immer ich zubereitet.«
    »Dann komm um sechs«, sagte Wanda. »Wenn du nachher noch was zu essen oder zu trinken willst, mußt du wieder runter zum Gesinderaum. Die meisten aber haben auf ihrem Zimmer einen Spirituskocher. Den solltest du dir auch kaufen. Ich helfe dir dabei. Und jetzt leg dich hin und schlaf, Sophie.«
    »Danke.« Sophie wartete, bis Wanda Lubkenski das Zimmer verlassen hatte, ging dann zur Tür und schob den dicken Riegel vor – das Wichtigste im ganzen Raum, wie ihr Wanda vorher erklärt hatte. Danach kehrte Sophie zum Fenster zurück, schob einen Stuhl heran, setzte sich, zog die getupfte Gardine zur Seite und blickte hinunter in den Park und über die Bäume hinweg in den Abendhimmel. Die Sonne ging blutrot unter, wie riesige brennende Schiffe zogen die dicken Sommerwolken vorbei.
    Zunächst weinte Sophie Rinne ein wenig; es war alles so fremd, so riesengroß im Vergleich zu Schloß Bückeburg, und sie war so allein in dieser unbekannten Welt. Das Zimmer, so schön es war, kam ihr
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