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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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leer und kalt vor, und mit Angst dachte sie an den nächsten Morgen, an all die vielen unbekannten Gesichter, an die sie sich gewöhnen mußte, an die neugierigen Fragen, die Gespräche der anderen Mädchen, die sich meist nur um ihre Erlebnisse mit Männern drehten, und an die schwere Zeit des Einlebens in diesen fremden Kreis des Personals.
    Die Hände im Schoß gefaltet, den Blick auf den Park gerichtet, weinte Sophie still vor sich hin. Das hatte sie von ihrer Mutter gelernt, die groß im Ertragen von Leid war. »Du mußt weinen«, hatte sie gesagt. »Setz dich irgendwohin in eine Ecke, wo dich niemand sieht, und dann weine. Das hilft. Das erlöst. Du wirst freier. Mit den Tränen fließt alles aus dir weg, aller Kummer, alle Sorgen, alle Angst. Weinen ist keine Schande. Man kann kräftiger werden durch Weinen. Wie könnte ich sonst dieses Leben ertragen …«
    Als es dunkler wurde, nachdem das schwindende Sonnenlicht nur noch ein roter Streifen am Himmel war, zündete Sophie eine Petroleumlampe an, schraubte den qualmenden Docht niedrig und begann, ihre Leinentasche und den Pappkoffer auszupacken.
    Hänschen, der Zeisig, der mit seinem Bauer auf dem Tisch stand, hatte bisher noch keinen Piepser von sich gegeben. Auch er hatte Heimweh. Er hockte auf dem Boden in dem hellen Sand, hatte sich aufgeplustert und den Kopf eingezogen.
    Da klopfte es plötzlich an die Tür. Sophie, die gerade einen zerknautschten Rock ausschüttelte, setzte sich erschrocken auf das Bett.
    »Wer ist da?« fragte sie zaghaft. »Wanda?«
    »Hier ist nicht Wanda«, antwortete eine tiefe, volle Stimme. Sie klang warm und vertrauenerweckend. »Hier ist Leo …«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin der Verwalter des fürstlichen Gutes III.«
    »Und was wollen Sie?«
    »Ich möchte Sie auf Pleß willkommen heißen.«
    »Jetzt?«
    »Ich habe gesehen, wie Jakob Sie von der Bahn abholte. Sie wirkten nicht sehr glücklich …«
    »Ich bin aber glücklich.«
    »Sollen wir uns durch die dicke Holztür unterhalten?«
    »Ja. Wenn es Ihnen nicht paßt, können Sie ja gehen …«
    Leo Kochlowsky überlegte, ob er die Unterhaltung fortsetzen sollte. Er war sicher, daß die kleine Mamsell das Zimmer nicht aufriegelte. Andererseits verbot es ihm sein Stolz, noch länger hier draußen zu stehen und gegen lackiertes Holz zu sprechen.
    Er räusperte sich, strich sich über die Stirn und versuchte es noch einmal: »Ich könnte Ihnen helfen, ganz gleich, was Sie wünschen. Sagen Sie mir, was Sie brauchen … Schneller, als Sie denken, wird Ihr Wunsch erfüllt sein!«
    »Ich habe einen großen Wunsch …«, sagte Sophie Rinne langsam, und Leo Kochlowsky atmete auf.
    Also doch, dachte er. Im Grunde genommen sind alle Frauen gleich. Sie unterscheiden sich nur im Aussehen. Winkt man mit einer Gefälligkeit, läuft keine von ihnen davon!
    »Schon erfüllt, Mamsell!« rief Leo fröhlich und siegessicher.
    »Lassen Sie mich in Ruhe, und gehen Sie weg!«
    »Sie sind nicht sehr höflich …«
    »Ich will auch nicht höflich sein.«
    Leo Kochlowsky warf einen bösen Blick auf die Tür, drehte sich um und ging mit stampfenden Schritten die Treppe hinunter. Aufatmend hörte Sophie, wie er sich entfernte.
    In der Eingangshalle des Personalgebäudes traf Kochlowsky auf Wanda Lubkenski, die gerade von einem abendlichen Schwätzchen bei der Kammerzofe der Fürstin zurückkehrte. Verwundert und sofort voller Argwohn blieb sie stehen, stemmte die Hände in die Hüften und sah Leo kampflustig an. Was hat der Herr Verwalter hier zu suchen? dachte sie. Kommt da die Gesindetreppe herunter? Da stimmt doch etwas nicht! Ein Kochlowsky geht nie zu Untergebenen – er bestellt sie zu sich.
    »Wo kommst du denn her?« fragte Wanda mißtrauisch.
    »Das geht dich einen Scheißdreck an!« Kochlowsky ging weiter, aber Wanda verstellte ihm den Weg zur Ausgangstür. Er hätte die Köchin umrennen müssen, um hinauszukommen, und genau das hatte Leo vor, als er unbeirrt weiterging. Auch Wanda stellte sich auf einen Zusammenprall ein, postierte sich fest, mit gespreizten Beinen und eingezogenem Kopf, und wartete.
    Ein paar Zentimeter vor ihr aber blieb Kochlowsky doch stehen. Wandas Busen drückte bereits gegen seinen Bart. Ihre erregten Gesichter waren so nahe voreinander, daß es für einen Uneingeweihten aussah, als wollten sie sich im nächsten Moment küssen. Dabei lag ihnen nichts ferner als das.
    »Geh aus dem Weg, du Zicke!« knurrte Leo dunkel.
    »Ich denke nicht daran!« zischte ihn Wanda
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