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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel
Autoren: Annegret Heinold
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Rom gewartet hat, schickt mir das Universum was Römisches vorbei. Und schon bin ich in Versuchung abzuheben und auf Wolke sieben zu schweben.

XX
    Und so schwebe ich langsam hoch zu Wolke sieben. Wolke für Wolke.
    Wolke eins. Claudio. Wolke zwei. Wie gut er aussieht! Wolke drei. Die dunklen Haare, die braunen Augen, wie dunkle Schokolade, Edelbitter, meine Lieblingssorte. Wolke vier. Endlich hier, vor meiner Haustür, auf meiner Türschwelle. Wolke fünf ... wieso erst jetzt? Die Treppenhausnacht ist jetzt – warte mal, Ende August bis Ende April – das sind acht Monate. Ich fasse es nicht. Und in der ganzen Zeit hat er sich nicht gemeldet. Na, das stimmt nicht, einmal hat er angerufen, wegen Essen gehen, aber da konnte ich nicht, wegen meiner Mutter, aber jetzt mal ganz ehrlich, was ist ein Anruf in acht Monaten? Das ist nichts. Oder eher: Das ist eine Frechheit.
    Nix Wolke fünf, sechs, sieben.
    Ich bin wieder am Boden (zerstört).
    Das ist doch wirklich eine Frechheit.
    „Hallo Elke“, sagt Claudio.
    Ich stehe mit der Hand an der Tür und merke, wie meine Hand die Tür langsam zuschiebt.
    „Elke?“, fragt Claudio.
    „Ich habe gar kein achtes Sieb“, sage ich. „Tut mir leid.“
    „Was für ein Sieb?“, sagt Claudio.
    „Für’s Fondue“, sage ich und denke, so ein chinesiches Fondue ist doch ein Ding. Es löst, wenn sie an Geburtstagen serviert wird, offensichtlich Dinge aus, mit denen man nicht gerechnet hat. Und das, wo ich doch Überaschungen nicht leiden kann.
    „Er kann mein Sieb benutzen“, sagt Evelina. „Ich bin satt.“
    Ich drehe mich um und da stehen sie alle zwischen Wohnzimmer und Diele. Sechs Gesichter in einem Türrahmen, die das Schauspiel verfolgen. Ein bisschen sieht es aus wie das Robertoscope im Marionettenmuseum. Der Türrahmen ist das Kasperletheater. Und die Köpfe sind die Figuren. Punch und Judy, das Baby, der Clown, das Krokodil und ...
    „Oder meins“, sagt Vasco. „Ich bin auch satt.“
    „Ich bin nicht zum Essen gekommen“, sagt Claudio.
    „Und warum dann?“, frage ich.
    „Ich wollte sehen, wie es dir geht“, sagt Claudio.
    „Danke gut“, sage ich. „Danke der Nachfrage. Es geht mir gut. Ich habe entdeckt, dass Lissabon eine sehr schöne Stadt ist. Ich liebe meinen Job in der Blues Bar. Ich habe mir vorgenommen, jeden Monat einen neuen Song einzustudieren. Und ich habe mir vorgenommen, dass der neue Song das einzige Neue in meinem Leben sein wird. Sonst bin ich nämlich ganz zufrieden mit meinem Leben, so wie es ist und ich habe kein Interesse daran, daran auch nur irgendetwas zu ändern. Aber danke der Nachfrage.“
    „Ja dann“, sagt Claudio.
    Er steht unschlüssig in der Tür. Er hat die Hände in den Taschen seines Blousons. Er sieht zu dem Kasperle-Ensemble im Türrahmen. Punch und Judy, der Clown, das Krokodil. Er sieht zu mir. Er sieht mich an. Vielleicht sollte ich irgendetwas sagen.
    „Und wie geht es dir?“, sage ich.
    „Bestens“, sagt Claudio. „Auch danke der Nachfrage.“
    Claudio dreht sich um und geht, er geht die Treppen runter, ohne sich noch einmal umzudrehen. Das ist das Treppenhaus, in dem wir mal in einer Nacht stundenlang gesessen haben. Das ist lange her. Ich schließe die Tür. Die sechs Gesichter sehen mich weiter aus dem Türrahmen an.
    „Und was war das jetzt?“, sagt Andrea, ohne Anstalten zu machen, das Robertoscope zu verlassen.
    „Das“, sagt Evelina, „war die Rede einer Frau, die so viel Angst vor Gefühlen hat, dass sie lieber in der emotionalen Arktis lebt. Weil sie weiß, dass Liebe und Leiden immer zusammengehören und dass es das eine nicht ohne das andere gibt.“
    „Hey“, sage ich. „Ich bin hier nicht das Problem. Das Problem ist dieser Mann, der nicht zum Telefonhörer greift.“
    „Keiner greift mehr zum Telefonhörer“, sagt Bine. „Wir haben jetzt alle Handys.“
    „Ha ha“, sage ich. „Sehr witzig. Aber zum Handy hat er auch nicht gegriffen.“
    „Und du? Hast du ihn angerufen?“, fragt Jens.
    „Ich?“, sage ich.
    „Ja, du“, sagt Andrea. „Hast du zum Handy gegriffen und ihn angerufen?“
    Wieso denn ich? Ich bin eine Frau.
    „Wieso ich?“, sage ich.
    „Du hast ihn nie angerufen“, sagt Jens.
    „Ich bin eine Frau“, sage ich. „Frauen rufen nicht an. Männer müssen anrufen.“
    „Sag mal, wo bist du eigentlich aufgewachsen“, sagt Bine. „In Atlanta, Georgia, als Nachbarin von Scarlett O`Hara?“
    „Na, jetzt ist er ja vorbeigekommen“, sagt Evelina.
    „Ja“, sage
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