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Knochenbrecher (German Edition)

Knochenbrecher (German Edition)

Titel: Knochenbrecher (German Edition)
Autoren: Bernd Flessner
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Übernächtigter und frischer Zigarettenrauch umnebelten das zuckende Licht der roten und grünen Spots; zwei Voyeure gaben sich Handzeichen, andere waren damit beschäftigt, ihre Plätze gegen Nachdrängende zu verteidigen.
    Noch mehr Mühe hatten Mona und Greven, sich einen Weg zur Plattentheke von Sven zu bahnen, der zusammen mit seiner Frau Silke dem Stammpublikum gab, was es zu dieser Uhrzeit brauchte. Mit routiniertem Griff zog er das nächste Vinyl aus dem Regal und jonglierte es auf den Plattenteller. Schon musste sich Clapton von der Tanzfläche zurückziehen, die nun Peter Gabriel übernahm, den Greven über alles nicht mochte. Während die Tänzer das Feld frischen Kräften überließen, traf Greven beim DJ ein. Mona hatte er unterwegs verloren. So sehr er seinen Hals auch reckte, sie blieb im gärenden Menschenteig verschwunden.
    Svens Finger sprinteten indes über die Plattencover auf der Suche nach dem nächsten Altstar. Als Schüler hatte er selbst Musik gemacht, gemeinsam mit Harm Claasen, Lothar Harms, Waldemar Pabst, Dietrich von Eigen und anderen aus der kleinen friesischen Küstenszene. Greven, der kein Spieler war, sondern ein Hörer und Kritiker, hatte die endlosen Jamsessions oft verfolgt, hatte den Kopf geschüttelt, wenn Sunshine of y our Love nicht gelingen wollte, und die Autodidakten beneidet, wenn ihr wildes Improvisieren plötzlich doch zu dichten und mitreißenden Passagen zusammenfand, die erst nach fünf oder zehn Minuten wieder auseinanderbrachen.
    Peter Gabriel musste seinen Titel bis zum orchestralen Finale durchwimmern, bevor Svens Blick über die Gesichter vor ihm huschte und Greven erfasste. Vor drei oder vier Jahren hatten sie sich das erste Mal wiedergesehen, als Greven nach seiner erzwungenen Rückkehr in die alte Heimat auch wieder zu Meta gefunden hatte. Damals hatte Sven ihn lange ungläubig beäugt, ehe er Grevens gereiftes Gesicht und seinen Beruf akzeptiert hatte. Inzwischen schien er sich daran gewöhnt zu haben, dass sich der linke Musikkritiker aus Schülertagen in einen kurzhaarigen Polizisten verwandelt hatte.
    »Privat oder auf der Jagd!?«, brüllte Sven ihn durch einen ihm unbekannten Rocksong an.
    »Beides! Hast du kurz Zeit? Zwei Minuten?«
    »Wenn das nächste Stück läuft!«
    Sven setzte seinen Kopfhörer wieder auf und wählte aus dem riesigen Angebot die passende Platte aus. Kaum hatte er die Regler zum Ein- und Ausblenden bedient, übergab er Silke den Kopfhörer und zwängte sich aus dem Thekeneingang. Sein Finger wies auf die Ausgangstür.
    »Die Streichhölzer?«, fragte er mit lauter Stimme gegen die noch betäubten Ohren an, als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. »Die Streichhölzer!«, bestätigte Greven, ebenfalls laut.
    »Habe ich deine Kollegen richtig verstanden, der Mörder dieser alten Frau war bei mir?«
    »Schon möglich«, antwortete Greven. »Er kann die Streichhölzer natürlich auch von einer anderen Person bekommen haben. Wie viel hast du davon schon unter die Leute gebracht?«
    »Nur eine Handvoll.«
    »Das sind etwa …?«
    »Vielleicht … hundert? Ich hab sie einfach auf die Tanzfläche geworfen.«
    »Wie viel hast du noch?«
    »999 habe ich stempeln lassen. Und ein paar für mich. Aber die liegen bei mir zu Haus.«
    »Kannst du uns den Rest ausleihen? Nur für einen Tag?«
    »Wollt ihr etwa alle Nummern aufschreiben?«, fragte Sven kopfschüttelnd. »Das bringt doch nichts.«
    »Das kann man im Voraus nicht wissen. Diese Art von Hausaufgaben hat noch nie geschadet.«
    »Du kannst sie mitnehmen. Der Karton steht bei mir hinter der Theke. War’s das?«
    »Ist dir gestern etwas Außergewöhnliches aufgefallen?«
    »Die Frage aus den Krimis. Musste ja kommen«, schmunzelte Sven und dachte kurz nach. »Nee, eigentlich nicht. War ein ganz normaler Freitag. Nicht viel los. Weniger als sonst.«
    »Viele Stammgäste?«
    »Fast nur. Mehr als die Hälfte auf jeden Fall. Jetzt sag bloß, du willst die Namen?«
    »Alle. Jeden, an den du dich erinnern kannst. Ich schicke dir morgen jemanden vorbei.«
    »Scheiße.«
    »So sind die Regeln nun mal. Irgendein auffälliger Gast? Einer, der sich merkwürdig verhalten hat?«
    »Nee. Ein ganz normaler Freitag eben. Nach wem suchst du eigentlich?«
    »Wenn ich das so genau wüsste. Nach einem, der gestern bei dir war, ein Streichholzbriefchen gefangen und es heute nach einem Mord verloren hat.«
    »Steht das Montag in jeder Zeitung?«
    »Keine Sorge, auf die Reklame musst du verzichten.
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