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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger
Autoren: Jane Austen
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ihren Bruder ohnehin schon fast als Freundinnen gelten könnten usw., was Catherine mit Vergnügen hörte und mit allen ihr zu Gebote stehenden reizenden Ausdrücken des Dankes beantwortete, und als ersten Beweis ihrer Zuneigung bat die älteste Miss Thorpe sie gleich, sich bei ihr einzuhaken und mit ihr auf und ab zu gehen. Catherine war über diese Vergrößerung ihres Bekanntenkreises in Bath entzückt und vergaß fast Mr. Tilney, während sie sich mit Miss Thorpe unterhielt. Freundschaft ist zweifellos der schönste Balsam für den Schmerz enttäuschter Liebe.
    Ihre Unterhaltung berührte all die Themen, deren freimütige Erörterung so wesentlich dazu beiträgt, zwischen zwei jungen Damen Intimität herzustellen, wie Mode, Bälle, Flirts und Klatsch. Miss Thorpe allerdings, die vier Jahre älter als Miss Morland und mindestens vier Jahre erfahrener war, hatte bei der Diskussion solcher Themen einen ganz entschiedenen Vorteil: Sie konnte die Bälle von Bath mit denen von Tunbridge, die Mode von Bath mit der von London vergleichen, konnte den Geschmack ihrer neuen Freundin im Hinblick auf viele Einzelheiten modischer Eleganz berichtigen, konnte Flirts zwischen beliebigen Damen und Herren erraten, wenn sie sich nur anlächelten, und entdeckte auch im dichtesten Gedränge jeden, über den sich zu klatschen lohnte. Solche Talente wurden von Catherine, der sie völlig neu waren, gebührend bewundert, und die Hochachtung, die sie ihr einflößten, hätte jede Vertraulichkeit ihrerseits im Keim erstickt, wenn nicht Miss Thorpes Ungezwungenheit und ihre wiederholten Freudenbekundungen über die Bekanntschaft ihr jedes Gefühl von Scheu genommen und nur herzliche Zuneigung übriggelassen hätte. Bei ihrer wachsenden Sympathie füreinander gaben sie sich nicht mit einem halben Dutzend Rundgängen in der Brunnenhalle zufrieden, sondern hielten es, als sie das Gebäude alle miteinander verließen, für unumgänglich, dass Miss Thorpe Miss Morland bis unmittelbar vor die Haustür von Mrs. Allens Wohnung begleitete und sie sich dort mit sehr herzlichem und ausdauerndem Händeschütteln erst dann voneinander verabschiedeten, als sie sich zu ihrer wechselseitigen Erleichterung mitgeteilt hatten, dass sie sich abends im Theater wiedersehen und am nächsten Morgen in derselben Kapelle ihr Gebet sprechen würden. Catherine lief sofort die Treppe hinauf, beobachtete vom Wohnzimmerfenster aus, wie Miss Thorpe die Straße hinunterging, bewunderte ihren anmutigen Gang, ihre elegante Figur und Aufmachung und war von Herzen dankbar – und das zu Recht –, dass der Zufall sie mit einer solchen Freundin zusammengeführt hatte.
    Mrs. Thorpe war eine Witwe und durchaus nicht wohlhabend; sie war eine gutmütige, verständnisvolle Frau und eine sehr nachsichtige Mutter. Ihre älteste Tochter war eine ausgesprochene Schönheit, und da die jüngeren so taten, als ob sie ebenso hübsch wie ihre Schwester wären, ihre Art, sich zu geben, nachahmten und sich im selben Stil kleideten, hatten auch sie sehr gute Chancen.
    Dieser kurze Bericht von den Familienverhältnissen soll dem Leser die Notwendigkeit einer langen und detaillierten Darstellung von Mrs. Thorpe selbst, ihren früheren Abenteuern und Leiden ersparen, die sonst unweigerlich die nächsten drei oder vier Kapitel einnehmen würden, in denen die Charakterlosigkeit von Adligen und Advokaten ausgesponnen und Gespräche, die vor zwanzig Jahren stattgefunden haben, Wort für Wort wiedergegeben würden.

Kapitel 5
    Catherines Aufmerksamkeit wurde am selben Abend im Theater nicht so vollständig davon in Anspruch genommen, Miss Thorpes Nicken und Lächeln zu erwidern, obwohl das durchaus einen erheblichen Teil ihrer Zeit ausfüllte, dass sie darüber vergaß, mit forschendem Blick in jeder Loge, die sie mit ihren Augen erreichen konnte, nach Mr. Tilney Ausschau zu halten; aber sie suchte umsonst. Mr. Tilney lag am Theater ebenso wenig wie an der Brunnenhalle. Sie hoffte, am nächsten Tag mehr Glück zu haben, und als ihr Wunsch nach gutem Wetter mit einem strahlenden Vormittag belohnt wurde, zweifelte sie kaum mehr daran, denn an einem schönen Sonntag in Bath leeren sich alle Häuser, und alle Welt erscheint dann im Freien, um Freunden und Bekannten zu erzählen, was für ein wunderschöner Tag es ist.
    Sobald der Gottesdienst vorüber war, gesellten sich die Thorpes und die Allens ungeduldig zueinander, und als sie lange genug in der Brunnenhalle zugebracht hatten, um sich überzeugt zu
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