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Klondike

Titel: Klondike
Autoren: James A. Michener
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Verstanden?«
    Nicht ein einziges Mal während ihrer gemeinsamen Abenteuerfahrt kam auch nur einer auf den Gedanken, den Iren nicht mit seinem letzten Namen, Fogarty, anzureden. Verständlich, denn keiner kannte seinen Vornamen oder hatte Interesse daran, sich ihn zu merken, aber noch am selben Abend war Lord Luton in seinen Aufzeichnungen voll des Lobes über seinen Jagdgehilfen.
    »Es gibt nur wenige Menschen auf der Welt, mit denen umzugehen angenehmer ist als mit einem gut geschulten Iren, der weiß, wo sein angestammter Platz ist, und unser Gehilfe Fogarty zählt zu den Besten. Ich habe ihn im ganz jungen Alter aufgelesen und ihn vernünftigen Händen anvertraut. Wenn es soweit ist, in fünfzehn oder sechzehn Jahren, wird er mein Wildhüter, und ich bezweifle, daß ich einen besseren finde.
    Heute mußten Harry und ich unseren beiden Jüngeren erst einmal die Spielregeln erläutern. Woher sollten sie auch die Feinheiten kennen, wenn wir sie ihnen nicht beibrächten? Es erfüllt mich mit Stolz, daß sie sofort begriffen haben und wie gestandene Soldaten salutierten. So muß es sein, so muß eine Expedition angegangen werden, und besonders heute abend weiß ich mehr denn je den Mut und die Beherztheit Carpenters zu schätzen. Ich möchte in Zukunft nicht auf ihn verzichten.«
    In der noch verbleibenden Zeit während der insgesamt zwölftägigen Überfahrt nach Montreal bildeten sich weitere Grundmuster heraus, die in den Monaten darauf Bestand haben sollten. Philip hielt sich stundenlang in der Schiffsbibliothek auf, oberhalb des Salons. Er las viel und konnte ganze Passagen aus Whympers Berichten über seine Forschungsreisen nach Alaska auswendig, und immer wenn an einer Stelle der Yukon erwähnt wurde, las er sie besonders aufmerksam. Mit der Zeit eignete er sich so genaue Kenntnisse von der Wasserstraße an, wie man sie üblicherweise nur aus Karten und Büchern gewinnen konnte, aber sein Onkel machte sich über seinen Eifer lustig. »Der Abschnitt des Yukon, über den du liest, liegt auf amerikanischem Territorium, und das betreten wir nicht.« Der junge Mann ließ sich dennoch nicht beirren und setzte seine Beschäftigung mit dem Fluß fort.
    Nachdem er ein paar Tage in der bescheidenen Sammlung der Bibliothek gestöbert hatte, widmete sich Trevor Blythe einem der kleinen Bändchen, die er von seiner Mutter ausgeliehen hatte, Palgraves hochgeschätztem »Goldenen Schatzkästlein«, einer 1861 zum erstenmal erschienenen Anthologie von Gedichten, die seinerzeit als der Inbegriff der englischen Lyrik angesehen wurden. Trevor waren die meisten Gedichte natürlich vertraut, aber da er beabsichtigte, selbst ein paar Verse der großartigen Sammlung beizusteuern, wollte er sie Zeile für Zeile beherrschen. Auf der Fahrt, so hoffte er wenigstens, wollte er durch intensives Studium der gelungeneren Gedichte den Geheimnissen wirkungsvoller Prosodie auf die Spur kommen.
    Während der zwei Jahre in Oxford war seinen jugendlichen Gedichten eine gewisse wohlwollende Aufmerksamkeit entgegengebracht worden, ein paar Kritiker an der Universität waren sogar so weit gegangen, ihm authentischen englischen Ausdruck zu bescheinigen. Er selbst hielt das für übertrieben; seine Ehrfurcht vor der Dichtung eines Sidney, Herrick oder Waller war so tief, daß er unsicher war, ob er ihren makellosen Strophen jemals Eigenes würde entgegensetzen können, dennoch wollte er wenigstens hinter die Zauberei kommen, wodurch solch wundervolle Werke zustande kamen. Und so konnte es passieren, während das Schiff die Dünung des Nordatlantik durchschnitt, daß plötzlich ein Freudenschrei ertönte, wenn Trevor wieder einmal eine Entdeckung gemacht hatte. »Philip!« rief er dann. »Hast du jemals die Wohltat, anders kann man es nicht nennen, von Wallers flehentlichem Ruferfaßt? Ich muß es an die hundertmal gelesen haben, aber noch nie zuvor ist mir aufgefallen, wie ...« Und während das Schiff westwärts pflügte, las er die Zeilen, die seit Jahrhunderten an den Herzen junger Männer zehrten.
    Geh, Rose! Leis Sag ihr, die ihre Zeit vertut und mich,
    Damit sie’s weiß,
    Wenn ich euch zwei vergleiche, sie und dich,
    Wie sie mir lieblich scheint und anmutig.
    Lord Luton und Harry Carpenter dagegen beschäftigten sich mit ganz praktischen Dingen; immer und immer wieder besprachen sie die technischen Aspekte ihres Unternehmens, und beide stimmten darin überein, daß selbst der Kauf eines Taschentuchs vor ihrer Ankunft in Edmonton unklug sei,
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