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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor
Autoren: Die Tagebücher
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Spranger gegangen ist. 5 – Ich höre eben von * Annemarie Köhler am Telephon, daß * Georg gehen mußte. (Mit den Angehörigen bin ich aus allem Connex; niemand schreibt mir.[)]
    Morgen das Fest der Arbeit. Der Stahlhelm * Hitler unterstellt, Hugenberg * am Zusamenbruch. Ich habe den bestimmten Eindruck, daß die Katastrophe nicht mehr lange ausbleiben kann. –
    Fast unmöglich Sammlung zur Arbeit zu finden. Telephonate, Besuche, Grübeln, zwischen den Zeilen der offiziellen Berichte lesend Lesen, Warten, Combinieren, Hoffen, Verzweifeln. So Tag um Tag.
    * Eva am Morgen oft in heftigster Nervenkrise. Ich gehe seit Jahren zu Grunde, u. niemand hilft mir! Am Tag dann etwas beruhigter. Am 28 den ganzen Tag auf unserm Grundstück. Die Bäume wurden gepflanzt. Sie war mit * Frau Lehmann 6 oben, Nachmittags kam ich nach. Kaffee im schöngelegenen Café Hohendölzschen. Nachher noch eine Weile bei * * Dembers. Dort auch * Gusti Wieghardt, auf der Durchreise ihre Schwester * Maria 7 mit dem ziemlich unausstehlichen * Kind. Am Abend noch eine Stunde * Berthold Meyerhof bei uns.
    Die Familie M. scheint sich zu halten. * Lissy ist Schulpflegerin geblieben, da sie als Schwester im Seuchenlazarett tätig war. * * Die Brüder haben Posten, * Berthold schlägt sich echt Meyerhöfisch durch.
    Im Ganzen lebe ich stumpf über Verzweiflung u. fast schon Gleichgültigkeit hinweg. Morgen wieder eine Besprechung mit einem Geldmenschen; vielleicht ist doch Credit zu erhalten. Aber meine Finanzen sind am Zusamenbrechen. Keinen Pfennig außer den 800 M. Gehalt nehme ich mehr ein. Und der Kirschberg schluckt u. schluckt. –
    Am Nachmittag waren die Schwestern * Gusti u. * Maria bei uns. Ewige Dasselbigkeit der politischen Gespräche.
     

 
    15 Mai Montag Abend .
    Ich lese. Afrz. 1 vor 6, Kulturkunde vor etwa 20, Seminar dazu vor 10 Leuten. Alles ruhig. Aber ich prüfe nicht, der Bitte des Rektorats entsprechend. Ich war auch nicht in der Abteilungssitzung. – Wir erhielten Sympathiebesuche: am Abend der Abteil.-Sitzung von * Frau Kühn , am Sonntag danach von * * Delekats. 2 D. hatte eben in der Kreuzkirche gepredigt – da könne man mehr sagen als in Vorlesung. Er war im Bratenrock, hatte seinen Talar im Köfferchen bei sich. Ein Besuch von Frau * Hirche . Dankbarkeit u. Angst ringen um die Seele der * * H. s. 3 Er hat der natsoz. Partei beitreten müssen ; der * Junge macht seine ersten Reichswehrwochen durch. Daß er dort als Offiziersaspirant ankam, hat er zu sehr großem Teil mir zu verdanken. (Gutachten u. Empfehlung an * Rüdigers 4 ). * Beste, jetzt Dekan, nimmt sich meiner an, ist innerlich erbittert (Centrumsmann). Aber überall vollkomene Hilflosigkeit, Feigheit, Angst.
    – Raschestes Weiter der Katastrophenpolitik. Ich warte. Mit * Thieme, der sich mit Begeisterung für die neue Regierung erklärte, brach ich schroff u. endgiltig. Er lud uns telephonisch ein. Ich sagte: wir wollten nicht kommen u. ich möchte das Telephongespräch beenden, hängte ab. –
    * Annemarie fürchtet für ihre Stellung, weil sie sich weigerte am Festzug des 1. Mai teilzunehmen. Sie (die ganz Deutschnationale) erzählt: Einem Heidenauer Communisten gräbt man den Garten um, dort solle ein Maschinengewehr liegen. Er leugnet, man findet nichts; um ein Geständnis zu erpressen, prügelt man ihn zu Tode. Die Leiche ins Krankenhaus. Stiefelspuren im Bauch, faustgroße Löcher im Rücken, Wattebäusche dreingepfropft. Offizieller Sektionsbefund: Todesursache Ruhr, was vorzeitige Leichenflecken häufig zur Folge habe. – Greuelnachrichten sind Lügen u. werden schwer bestraft. –
    * Jule Sebba ein paar Tage in Dresden. Einen Abend mit * Frau Schaps bei uns. Den nächsten Abend wir bei Frau Schaps. Dort auch * * Gerstles u. * * Salzburgs. Ganz herzlich aber keine neuen Berührungspunkte u. wenig alte mehr. Die Gespräche überall die gleichen, die Situation in Königsberg nicht anders als hier.
    Am nächsten Morgen u. ein paar Tage lang * Eva noch kaputter als sonst. Nervenschmerzen im versagenden Knie, schwere Weinkrämpfe u. Verzweiflung: Krüppel, zu spät, man lasse sie erbarmungslos zu Grunde gehen. Mein Herz verträgt all dies Elend nicht mehr lange. Ständige Schlundschmerzen, Heiserkeit, Schmerzen in Arm u. Schulter.
    Die Haussache dabei aussichtsloser als je. * Praetorius hatte einen polnisch jüdischen Agenten, * Sandel, aufgetrieben. Der wollte mir – so gut als sicher, 99 % Wahrscheinlichkeit! – 15 000 M. aus Offenbach zu günstigen
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