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Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer

Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer

Titel: Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer
Autoren: Nele-Marie Bruedgam
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und teilweise im Mittelmeerraum ist die Faust mit dem nach oben gestreckten Daumen eine obszön-aggressive Geste. Ihre Bedeutung lautet in Worten etwa: »Ficken« oder auch: »Ich fick dich, du Sau«. Als Einladung zum Geschlechtsverkehr unter Männern versteht man die Geste in der Türkei. Abzuraten ist in diesen Ländern deshalb insbesondere vom gereckten, wippenden Tramper-Daumen am Straßenrand.
    Überhaupt sollte man beim Gestikulieren in der Fremde vorsichtig sein. Wenn Deutsche sich vor lauter Begeisterung über ein köstliches Essen den Bauch streicheln, sieht das für Franzosen und Spanier urkomisch aus. Sie selbst küssen die aneinandergelegten Fingerspitzen der rechten Hand, um ohne Worte »lecker« zu sagen. Gefährlich kann es beim Victory-V aus Zeige- und Mittelfinger werden. Seltsamerweise verwenden manche Deutsche die Geste als Zeichen des Friedens. Wenn sie ihrem Gegenüber dabei den Handrücken zeigen, deuten Engländer und Australier das V als doppelten Stinkefinger.
    Ähnlich heikel und dringend zu vermeiden: der aus Zeigefinger und Daumen gebildete Ring, der einerseits für »alles klar«, »perfekt«, »köstlich« stehen kann, andererseits für »null«, »wertlos«, »Arschloch«, »Fotze«, »Fick dich«.

DRESSCODES HABEN HEUTZUTAGE KEINE BEDEUTUNG MEHR
    »Im Kaufhaus gilt ein Dresscode. Wir möchten alle Besucher darum bitten, während ihres Aufenthaltes im Kaufhaus saubere, ansehnliche Kleidung und ordentliche Schuhe zu tragen.«
    Muss man so etwas überhaupt erwähnen? Man muss, findet die Direktion des Londoner Kaufhauses Harrods. Denn – traurig, aber wahr – viele Menschen haben nicht die geringste Ahnung, welche Garderobe dort angemessen ist. Ja, sie wissen nicht einmal, was sie unter »ansehnlich« und »ordentlich« verstehen sollen. Sodass sich die Kaufhausleute bemüßigt sehen, den Dresscode zu konkretisieren: Man möge bitte Kleidung tragen, die intime Körperteile bedeckt, auf Sturzhelme sollen Besucher verzichten, auch Badeanzüge gelten nicht als angemessene Oberbekleidung. 17
    Personen, die aufgrund unangemessener Kleidung von Harrods-Türstehern abgewiesen werden, sind sehr oft: Touristen.
    Erstaunlich viele Reisende, deren Interesse in erster Linie Kultur, Land und Leuten gilt (und weniger den Urlaubsaspekten Sonne, Spaß, Entspannung), machen sich kaum Gedanken darüber, was für ein Bild sie eigentlich abgeben. Das ist zumindest meine Beobachtung: Der durchschnittliche Studien-, Erlebnis-, Rund- und Städtereisende kleidet sich gern praktisch und legt auf Ansehnlichkeit nur untergeordneten Wert – zugleich erwartet er aber von seiner Umwelt, dass sie ihn optisch verwöhnt, überrascht oder auf andere Weise beeindruckt. Ist das fair?
    Nun ja, Stil hat man oder nicht, darüber lässt sich schlecht diskutieren – im Allgemeinen.
    Im Besonderen aber gibt es überall auf der Welt Kleiderordnungen, deren Einhaltung zum Beispiel Anerkennung, Höflichkeit, Wertschätzung, Demut oder schlichtweg guten Geschmack signalisiert – und deren Missachtung als Zeichen von Hochmut, Ahnungs- oder Respektlosigkeit, schlechtem Geschmack oder schlech- ter Erziehung interpretiert werden kann. Wer Dresscodes ignoriert, darf davon ausgehen, dass er sich lächerlich macht, die anderen beleidigt, von erlebenswerten Veranstaltungen oder sehenswerten Räumen ausgeschlossen wird. Oder alles zusammen.
    Großes Glück für Ortsfremde also, wenn ein Dresscode vorgegeben ist. Beispielsweise vermerken viele Dis- kotheken in Großbritannien, Südeuropa und den USA auf ihren Werbeflyern und am Eingang, welche Art von Garderobe unerwünscht ist. Vorrangig richten sich solche Nachtklub-Dresscodes an Männer, zu den meist verbotenen Kleidungsstücken und Accessoires gehören Turnschuhe (US-englisch: sneakers, Britisch: trainers) oder Sportkleidung insgesamt, T-Shirts, Baggy-Hosen, Kopfbedeckungen und Sonnenbrillen. Die an- gesagtesten Klubs verzichten allerdings auf solche Angaben – rein kommen nur Gäste, die ohnehin wissen, was angesagt ist.
    Noch explizitere Kleidungsvorschriften finden sich wohl nur an typischen Touristenorten wie Tempeln, Klöstern, Stränden oder Spielkasinos – dort oft in Form von Zeichnungen und Piktogrammen.
    Etwas komplizierter wird die Sache, wenn als Dresscode nur eine Kategorie angegeben ist. Angenommen, man lernt auf Reisen einen netten Menschen kennen, der spontan zur Geburtstagsfeier einlädt, und auf der Einladungskarte steht, man möge sich »informal« kleiden. Was
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