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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert
Autoren: Clare Dowling
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einer Angelrute in den dicken, kurzen Fingern. Irgendjemand hatte die Angelruten bis zur Hälfte abgebrochen, und sie sahen jämmerlich aus.
    »Vandalen!«, schnaubte Frank empört, und sein rotes Gesicht wurde noch röter.
    »Es bringt nichts, sich wegen Gartenzwergen aufzuregen«, meinte Grace besänftigend und versuchte, ihn auf das Tor zuzudirigieren.
    »Sie hat sich nicht wegen der Gartenzwerge aufgeregt, sondern wegen der Rosenbüsche.«
    »Wie bitte?«, fragte Grace verdutzt.
    »Ich habe sie nur ein wenig beschnitten. Na ja, etwas mehr als ein wenig. Aber ehrlich, Leute wie sie lassen alles wuchern und verkommen. Und das habe ich ihr gesagt. Elf Jahre wollte ich das schon tun!«, endete er resolut.
    Grace hatte oft gehört, dass Leute kurz nach ihrem Einzug Streit mit den Nachbarn bekamen, aber nie, dass dies kurz vor dem Auszug passierte. Und auch noch nach gerade elf Jahren! Es war eine Tragödie. Dabei schien Mrs Carr eine umgängliche Person zu sein. Abgesehen von den Gartenzwergen hatte sie zwei hölzerne Stühle und einen wackeligen Plastiktisch in ihrem Vorgarten stehen, als ob sie es sich dort an schönen Abenden mit einer Flasche Wein gemütlich machte und dazu auch gerne Gäste einlud.
    »Frank«, sagte Grace mit der aus Erfahrung in der Vermittlung zwischen uneinigen Parteien erwachsenen Ruhe, »was halten Sie davon, zu ihr hinüberzugehen und sich zu entschuldigen?«
    »Sie hat gesagt, dass ich es nicht wagen soll, noch einmal auf ihrer Schwelle zu erscheinen.«
    »Es würde sie bestimmt versöhnen, wenn Sie ihr neue Rosenbüsche brächten.«
    »Das ist mir zu riskant. Sie hat mir das Gewehr ihres verstorbenen Mannes gezeigt und gedroht, es zu benutzen.«
    »Vielleicht war das ja nur eine Attrappe.«
    »Sie glauben, ich erkenne ein echtes Gewehr nicht?«
    »Nun - meine Söhne haben Wasserpistolen, die von richtigen nicht zu unterscheiden sind.«
    »Für Sie vielleicht nicht. Jedenfalls hat sie gesagt, dass sie wegen der Rosen so wütend auf mich sei, dass sie, wenn Leute zur Besichtigung meines Hauses kommen, in ihrem Vorgarten mit ihrem Schießeisen herumwedeln würde. Vielleicht sogar ein paar Schüsse in die Luft abgeben, wenn ihr gerade danach wäre. Sie sagte, dass niemand mein Haus kaufen wird, wenn die Leute sehen, dass gegenüber eine gefährliche Irre wohnt.« Nach einer kurzen Atempause setzte er hinzu: »Ich wollte Ihnen das eigentlich nicht erzählen, aber Sie sollten es wohl doch wissen.«
    »Da haben Sie Recht«, stimmte Grace ihm mit leicht zittriger Stimme zu.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte er. Das Erste, was ihr einfiel, war, dass sie keine Zeit für diese Komplikation hatte. Sie wollte um drei von Dublin nach Heathrow fliegen und von dort weiter nach Orlando. Sie würde sich Disneyworld ansehen - hurra! Genau genommen erst ab morgen, aber immerhin. Die erste Nacht würden sie in einem Motel verbringen. Sie hatte noch nie in einem Motel übernachtet. Das Wort beschwor Schmuddeligkeit und sexuelle Ausschweifungen und Ehebruch in ihrer Vorstellung herauf, und zu ihrem Befremden fand sie das aufregend. Vielleicht war das ja normal, wenn man drei Jahre hintereinander Urlaub auf der Isle of Man gemacht hatte. Oder im Radio zu viele obszöne Songs gehört hatte.
    »Wir holen die Polizei«, erklärte sie energisch. Die Situation fiel eindeutig in deren Zuständigkeitsbereich. Frank riss hinter seinen dicken Brillengläsern die Augen auf. »Es kommen jeden Moment Leute, um sich das Haus anzusehen. Da kann doch unmöglich ein Streifenwagen davor parken!«
    »Vielleicht könnten wir sie bitten, mit einem Zivilfahrzeug zu kommen«, dachte Grace laut, während sie nach ihrem Handy griff. Sollte sie 999 wählen oder bei der örtlichen Wache anrufen? In letzterem Fall müsste sie sich allerdings erst über die Auskunft die Nummer besorgen. Aber 999 anzurufen hieße, eine große Sache aus einem nachbarlichen Kleinkrieg zu machen. Andererseits war eine Waffe in diesem Land eine große Sache. Okay - sie würde 999 wählen.
    »Hören Sie«, versuchte Frank sie in flehendem Ton zu bremsen. »Ich kenne die Frau. Sie bellt gern, aber sie beißt nicht.«
    »Trotzdem können wir ihre Drohung nicht einfach ignorieren.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie vielleicht doch Ernst macht und möglicherweise einen potenziellen Kunden niederschießt.« Ganz zu schweigen von ihr selbst. Aber Grace war vor allem anderen professionell.
    »Nicht, wenn wir sie direkt vor dem Haus parken lassen und anweisen, mit
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