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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert
Autoren: Clare Dowling
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eingezogenem Kopf zur Tür zu rennen«, meinte Frank. »Wenn sie erst mal drin sind, ist die Gefahr gebannt, und Sie können sie in aller Ruhe herumführen. Und anschließend bringen wir sie in der gleichen Weise zu ihren Autos zurück und schärfen ihnen ein, sofort loszufahren.«
    »Vielleicht können wir ja auch noch eine Abbuchungserlaubnis für den Kaufpreis von ihnen bekommen, bevor sie erschossen werden«, ergänzte Grace trocken.
    »Ach. kommen Sie. Die Frau ist eine Verrückte. Wie viele Verrückte haben Sie in Ihrem Beruf schon kennen gelernt?« Er sah sie mit leicht irrem Blick an. »Wenn Sie die alle ernst nehmen wollten, würden Sie verrückt, stimmt‘s?« Grace wog ihr Handy unschlüssig in der Hand. Wahrscheinlich hatte er Recht damit, dass Mrs Carr ihm nur Angst machen wollte.
    »Rufen Sie doch in Ihrer Firma an«, schlug Frank vor. »Die werden wissen, was in einem solchen Fall zu tun ist.« Grace konnte es nicht ausstehen, wenn man ihr sagte, was sie tun sollte.
    »Es gibt bei uns keine Richtlinien für das Verhalten im Fall einer drohenden Erschießung, Frank.« Außerdem war es inzwischen neun Uhr. Die leitenden Angestellten würden in der Konferenz sitzen, in der an jedem letzten Freitag des Monats die Geschäftsabschlüsse resümiert und neue Ziele gesetzt wurden. Die übrige Belegschaft wäre, wie sie, unterwegs. Einige von ihnen führten schon seit sieben Uhr früh Häuser vor, um Interessenten die Besichtigung noch vor deren Arbeitsbeginn zu ermöglichen, und würden es bis sieben Uhr abends tun, um den Leuten entgegenzukommen, die die Besichtigung auf dem Heimweg von der Arbeit erledigen wollten. Grace dachte manchmal, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sie rund um die Uhr für Kunden zur Verfügung stehen müssten.
    Und wenn sie in der Firma anriefe, würde sie höchstwahrscheinlich an sich selbst verwiesen. Sie hatte den Ruf einer »patenten Person«, was allerdings immer ein wenig abwertend klang. Wenn jemand mit einer Schießerei zurechtkäme, dann Grace, würde man ihr erklären. Sie wusste nicht, weshalb. Schließlich hatte sie nicht täglich in Mittelschichtwohnzimmern mit Gewalt zu tun. Ihr Job war kaum als riskant einzustufen. Nicht körperlich zumindest. Finanziell gesehen waren die Risiken immens, wie sie Ewan schon oft erklärt hatte. Was Franks Haus anging, beispielsweise. Die Käufer müssten sich bis ins hohe Alter verschulden, um den geforderten Preis bezahlen zu können. Dabei war es Graces Meinung nach nur die Hälfte davon wert. Höchstens drei Viertel. Aber das durfte man den Leuten natürlich nicht sagen. Häuser zu verkaufen bereitete ihr in zunehmendem Maße moralisches Unbehagen.
    »Dann versuch doch mal, Leuten einen Schokoriegel zu verkaufen, der ihnen beim Abnehmen hilft«, hatte Ewan düster erwidert.
    »Du hast den Auftrag also bekommen?« Es wäre nett gewesen, wenn sie nur ein einziges Mal ein Gespräch über ihren Job hätten beenden können, bevor sie zu seinem wechselten. Aber offenbar war der Verkauf gebrauchter Häuser nicht so aufregend wie das Entwerfen von Werbekampagnen fürs Fernsehen, und es hatte keinen Sinn, so zu tun, als ob es anders wäre. Zumindest tat es niemand in Graces Familie und hatte es auch seit Jahren nicht getan. »Ganz knapp«, hatte Ewan geantwortet. »Und jetzt liebäugele ich mit ›Slimchoc - der köstliche Schokoriegel, der Ihre Pfunde zum Schmelzen bringt‹.«
    »Und - tut er es?«
    »Tut er was?«
    »Die Pfunde zum Schmelzen bringen?«
    »Keine Ahnung. Ich bezweifle es. Wir müssen uns noch juristisch beraten lassen. Vielleicht müssen wir ›im Zusammenhang mit einer kalorienreduzierten Ernährung hinzufügen.«
    Seine düstere Stimmung war wie weggeblasen. Sie gehörte zu einer Rolle, die er in regelmäßigen Abständen spielte, um vorzugeben, dass er zu dem Teil der Menschheit gehörte - dem größeren -, der seinen Job hasste und verabscheute. Aber er hielt sie nie lange durch. Der Mann hüpfte am Montagmorgen buchstäblich die Treppen zu seinem Arbeitszimmer hinauf und summte dabei kleine Jingles vor sich hin oder versuchte, einen Reim auf »Bubblegum« zu finden. Es gab keinen, erklärte er ihr fröhlich. Zumindest keinen, der nicht obszön war.
    »Also - was hältst du davon?« Er wartete gespannt auf ihre Meinung. Es hatte ihr immer geschmeichelt - bis er ihr eines Tages eröffnete, dass sie für die Werbung die Verkörperung des demografischen Ideals darstellte: eine weiße Mittelschichtfrau von Mitte dreißig
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