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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert
Autoren: Clare Dowling
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Schultern straffte.
    Das Panoramafenster gegenüber war noch immer geschlossen, und nichts deutete auf irgendwelche Aktivitäten hin. Wahrscheinlich war Mrs Carr volltrunken in Tiefschlaf gesunken. Und Grace musste zum Flughafen. »Ich bin gleich wieder da«, antwortete sie vage und lief über das Kopfsteinpflaster, wobei die Absätze ihrer Sandalen bei jedem Schritt ein metallisches Klicken verursachten. Es gab nichts daran zu rütteln, dachte sie - wenn man etwas getan haben wollte, musste man es selbst tun. Das galt für alles.
    Aber vielleicht würde sie sich eines Tages nicht mehr darum scheren. Vielleicht würde sie ignorieren, was getan werden musste. Vielleicht würde sie dann sagen, soll es doch jemand anderer tun. Und wenn niemand es tat - auch gut. Wen kümmerte es? Sie nicht! Denn tief in ihrem Innern war sie, unter all ihrer Tüchtigkeit und den eleganten, anpassungsfähigen Kostümen, in Wahrheit vielleicht ein Faultier.
    »Hallo? Mrs Carr? Entschuldigen Sie die Störung - aber könnte ich vielleicht kurz mit Ihnen reden?« Drinnen in der Küche fuhr Julia mit wild klopfendem Herzen herum und spähte durch die offene Küchentür in den düsteren Flur. Sie hatte es nicht klingeln gehört. Es musste aber geklingelt haben, denn sie sah nur ein verschwommen zu erkennendes Gesicht, das sich, beiderseits mit Händen beschirmt, von draußen an die Milchglasscheibe in der Tür drückte.
    »Wer sind Sie?«, rief sie.
    »Mein Name ist Grace Tynan. Ich bin Franks Immobilienmaklerin. Sie kennen doch Frank von gegenüber.« Julia erinnerte sich undeutlich an eine dünne Frau, die ein Klemmbrett in der Hand hielt. Sie hatte bei ihrem Anblick an diese Karriereweiber denken müssen, die man in amerikanischen Fernsehprogrammen sah - immer forsch und wie gelackt, absolut unrealistisch.
    »Ich habe zu tun«, antwortete sie fröhlich. Es war ihr zwar gelungen, das Feuer im Backofen zu löschen, doch die Küche war von Gestank und beißendem Rauch erfüllt. Die beiden Brotscheiben waren total verkohlt und knochenhart, als sie sie mit einer Serviergabel herausholte und ins Spülbecken beförderte, und ihr wurde klar, dass sie den Herd noch einmal würde putzen und vielleicht auch die Vorhänge würde waschen müssen, und plötzlich brach sie in Tränen aus. Es waren heiße Tränen, vergossen aus Wut über ihre Unfähigkeit. Was sie tapfer und vernünftig geplant hatte (ein Teil von ihr betrachtete es sogar als edel), war zu einem dieser billigen Melodramen verkommen, die sie und JJ sich in den Fünfzigern im Kino ansahen, wo sie dann im Dunkeln über die haarsträubende Idiotie der Heldin kicherten.
    »Mrs Carr?« Diese verdammte Frau stand immer noch vor der Haustür! »Wegen des Gewehrs ...«
    »Ja, das tut mir Leid. Ich werde es wegräumen. Sie sind nicht in Gefahr.«
    »Sehr schön. Aber...«
    »Dann auf Wiedersehen! Alles Gute!« Sie machte die Küchentür zu, um die Frau nicht mehr hören zu müssen. Mit Gummihandschuhen und Scheuerschwamm bewaffnet, öffnete sie die Hintertür, um den Rauch hinauszulassen. In einer leeren Weinflasche mischte sie Bleich-und Spülmittel und nahm sich zum zweiten Mal den Herd vor.
    Rückblickend gesehen, hätte sie sich die Aktion mit dem Gewehr vielleicht sparen können. Aber die Rosenbüsche waren an der Stelle gepflanzt worden, wo JJ sich früher an Sommerabenden einen Stuhl hinstellte, um seine Fachzeitschriften zu lesen. Der Fairness halber musste gesagt werden, dass Frank das nicht wusste, doch er hatte so eine Art, die sie provozierte. Und diese Art ertrug sie nun schon seit elf langen Jahren. Sollte er doch das Haus verkaufen und zu seiner schicken Frau nach New York ziehen. Sie würde ihn nicht vermissen.
    Als sie sich aufrichtete, sah sie Grace Tynan zur Hintertür hereinschauen.
    »Hallo. Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, dass ich hintenherum gekommen bin. Ich muss mit Ihnen sprechen, und Sie wollten mir ja nicht aufmachen.« Julia starrte sie schweigend an. Jetzt hatte diese Person sie schon zum zweiten Mal an diesem Tag zu Tode erschreckt. »Es tut Frank sehr Leid, Mrs Carr.«
    »Das bezweifle ich. Ich habe in meinem ganzen Leben keinen unsensibleren Mann kennen gelernt.«
    »Er ist nur etwas nervös wegen seines Hauses, und dann steht er auch noch unter Druck wegen seiner Heirat...«
    »Es würde mich nicht überraschen, wenn die ins Wasser fiele. Keine Frau, die ihre Sinne beieinander hat, würde dieses Arschloch heiraten.«
    Sie beobachtete, wie die Augen der Maklerin
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