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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe
Autoren: Silke Schuetze
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ab vierzig, das kommt bei mir nicht in die Tüte«, versichert sie mir in regelmäßigen Abständen. »Wieso wollen Frauen in diesem Alter eigentlich einen praktischen Haarschnitt? Die Kinder sind in der Pubertät, der Kerl beim Fußball, da hat man doch endlich mal Zeit für die Haare!«
    »Alles Gute zur Scheidung, Süße!«, ruft sie jetzt. Sie drückt mir ein Glas in die Hand, und wir stoßen an. »Auf die Freiheit!«, sagt Tina.
    »Auf die Freiheit!«
    Während wir streichen und dabei munter die Sektflasche leeren, malt sich Tina unsere gemeinsame Zukunft aus. »Glaub ja nicht, dass du für alle Zeit ohne Männer durchs Leben gehen musst«, tröstet sie mich. »Wenn du aus dem Nestbau-Kinderwagenkauf-Schwiegerelterntreffen-Alter raus bist, lernst du Männer viel einfacher kennen. Die sind total erleichtert, dass du sie nicht gleich für das gemeinsame Elternjahr verhaften willst.« Unter ihrem Zeitungshut mit den gelben Farbspritzern blinzelt sie mich unternehmungslustig an.
    »Und was, wenn ich gar nicht darauf erpicht bin, irgendwelche Männer kennenzulernen?«, wage ich einzuwenden.
    Tina ist empört. »Süße, du bist vierundvierzig, nicht vierundachtzig. Du willst doch jetzt nicht etwa enthaltsam leben und zur alten Jungfer verkommen?« Sie stemmt ihre Hände in die Hüften. »Jetzt geht es doch erst richtig los! Keine Angst, schwanger zu werden, kein Druck von außen, endlich unter die Haube zu kommen. Das haben wir doch alles hinter uns.«
    »Und was kommt jetzt?«
    Tina hebt erneut ihr Sektglas. »Na, Vergnügen! Sieh mal, wir leben in einer Zeit, in der alles möglich ist. Wir sind noch voll in Saft und Kraft, haben beide einen Job, verdienen Geld und können es uns gutgehen lassen – ohne einem Kerl die Socken zu sortieren, die Hemden zu bügeln und das Klo zu putzen. Bevor die Krise bei uns ankommt, möchte ich noch ein wenig leben.«
    Ich lasse den Farbpinsel sinken.
    »Du hörst dich an wie eine Frauenrechtlerin aus dem vorigen Jahrhundert. Seine Socken hat Andreas allein sortiert, das Klo haben wir abwechselnd geputzt, und seine Hemden waren bügelfrei.«
    »Und trotzdem kommen die wenigsten Männer von allein darauf, im Haushalt mit anzupacken.«
    Tina hat die klassische Doppelbelastung – Arbeit und Haushalt – in ihren Ehen natürlich stärker gespürt als ich. Schließlich besitze ich keine eigene Praxis, sondern habe bei meinem Internisten recht geregelte Arbeitszeiten und, trotz mancher Stresstage in Stoßzeiten, einen eher ruhigen Job. Ich trage nicht wie Tina die Verantwortung für den ganzen Laden. Ich bekomme regelmäßig mein Gehalt, während sie dafür sorgen muss, dass es nicht nur ihr, sondern auch ihren zwei Angestellten gutgeht.
    Dennoch finde ich, dass sie sich mit ihrem Nörgelton fast schon wie mein Vater anhört. »Aber die meisten Männer tun was im Haushalt, wenn man sie bittet«, widerspreche ich. » Wir müssen jetzt alles allein machen.«
    Tina zuckt mit den Achseln. »Ja, aber nur unseren Kram. Das macht mir nichts aus. Aber ich fand es immer blöd, wie meine Gatten letztlich davon ausgingen, dass ich die Verwalterin der Putzmittel und Waschmaschinenprogramme war.«
    Ich schweige, denn mir hat das alles viel weniger ausgemacht als Tina. Andreas arbeitete als Anästhesist in der Universitätsklinik Eppendorf, und ich hatte mit seiner Arbeitskleidung nichts zu tun. Die Reinigung übernahm die Klinik. Privat trug er meistens Jeans, TShirts und Polohemden. Die modernen Sportklamotten – Andreas ist passionierter Läufer und Radfahrer – kommen fast trocken aus der Maschine und machen wenig Arbeit. Nur: Weil ich besser koche – das habe ich von Papa nebenbei gelernt –, war ich meistens für die Mahlzeiten zuständig. Das war jedoch gleichzeitig auch Eigennutz.
    Andreas liebt Knoblauch und würde ihn wahrscheinlich auch ins Apfelmus reiben, wenn man ihn ließe. Außerdem schwärmt er für alles, was ungesund ist: zu fett, zu salzig, zu süß, zu dunkel gebraten. Obwohl er Arzt ist und es besser wissen müsste. Bei mir hat er zähneknirschend sogar Tofu gegessen – am liebsten natürlich scharf angebraten und mit viel frischem Knoblauch.
    Tina entgegne ich: »Eigentlich habe ich gern für Andreas gekocht und abends mit ihm gegessen. Für mich allein zu kochen, finde ich viel schwieriger.«
    Sie lacht. »Dann ist es für dich umso einfacher, eine Neubesetzung für dein unbemanntes Raumschiff zu finden.« Sie breitet die Arme aus, packt mich und wirbelt mich durch den
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