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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe
Autoren: Silke Schuetze
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Süße.« Dann klatscht sie in die Hände. »Jetzt wird aber nicht mehr Trübsal geblasen.« Sie zieht aus der Umhängetasche ihr kleines Laptop und öffnet es auf ihren Knien. »Komme ich hier eigentlich ins Netz?«
    »Ja, ich darf die Wireless-LAN-Verbindung der Hebammenpraxis aus dem Vorderhaus benutzen.«
    Tina zieht die Augenbrauen hoch. »Hebammenpraxis?«
    »Das sind zwei wirklich nette Frauen um die dreißig. Wir haben uns vor kurzem kennengelernt und waren uns sehr sympathisch.«
    Tina nickt. »Du lässt dich aber von denen nicht anstecken, oder?«
    Ich runzele die Stirn. »Womit denn? Ich werde bestimmt keine Hebamme, und Babys sind kein Thema mehr.«
    Tina nickt ungeduldig. »Glücklicherweise. Wie heißt das Passwort?«
    »Bambino.«
    Tina loggt sich auf einer Website ein, und plötzlich ist der Raum von Geschirrgeklapper und Stimmengewirr erfüllt.
    Interessiert beuge ich mich vor. »Was ist das?«
    »Die Website vom Restaurant »Nil« am Neuen Pferdemarkt«, erklärt Tina und klickt auf ein Icon. »Hier kommen die Kochkurse.«
    »Ich sag’s noch einmal: Ich kann kochen!«
    Tina wirft mir einen vernichtenden Blick zu. »Aber nicht so: ›Warmer Bauernziegenkäse mit braisiertem Chicorée und Tomatenconfit, Provençalische Fischsuppe mit Rouille, Ente à l’orange mit Oliven und Rosmarin. Gâteau au chocolat.‹« Sie sieht mich triumphierend an. »Oder?«
    »Gâteau au chocolat!«, meckere ich. »Das ist nichts weiter als ein Schokoladenkuchen!«
    »Hört sich aber besser an«, kontert Tina. »Das Kochen ist doch nur Nebensache.«
    »Und was ist die Hauptsache?«
    Mit einer großen Geste wirft Tina die Arme in die Luft. »Das Essen hinterher! Der Spaß vorher! Und die Männer, die man da kennenlernen kann.«
    »Männer in einem Kochkurs?«
    Tina nickt. »Klar, jeder attraktive Single um die vierzig, der etwas auf sich hält, lässt sich so was von seinen Freunden schenken. Ein Kochkurs mit lauter interessierten Küchenfeen ist doch das perfekte Jagdrevier für einsame männliche Herzen. Wirst schon sehen!« Sie senkt ihre Stimme. »Behauptet jedenfalls ein Blog, auf den ich über dieses Single-Internetportal ›True Love‹ gekommen bin.« Sie lässt sich aufatmend in die Kissen sinken. »Ich hab uns schon angemeldet: für das ›Romantik-Dinner Austria‹!« Tina beugt sich vor und scrollt weiter nach unten. »Hier ist es: ›Tiroler Speckknödelsuppe, Gesottener Tafelspitz mit Blattspinat, Rösti, Schnittlauchsauce und Preiselbeeren, Wiener Apfelstrudel mit Vanillesauce‹. Oder interessiert dich eher das Mai-Menü? Das bieten die nämlich auch noch im Juni an.« Sie liest vor: »›Salat von Spargel und Kalbstafelspitz mit Sauce Gribiche, Felchenfilet mit Brunnenkresseschaum, Keule vom Maibock mit Waldmeister-Mairüben und Kartoffelkrapfen. Rhabarberstrudel mit Sauerampfersauce‹.« Ihre Augen fliegen zurück zum Anfang des Textes. »Brunnenkresseschaum, hm, allein das klingt doch schon ziemlich erotisch.«
    Es dauert eine Weile, bis ich meine Sprache wiederfinde. »Brunnenkresseschaum? Romantik-Dinner Austria?«
    »Du sagst es, Süße.« Sie runzelt kritisch die Augenbrauen, zeigt auf meine Baumwollbluse und die schlabberige Cargo-Hose. »Der Termin für den Kurs liegt in der zweiten Juniwoche. Mach dich bis dahin bitte ein bisschen landfein. Man könnte meinen, du wärst schon bei deinen Freundinnen im Vorderhaus Praxispartnerin geworden.«
    »Bei den Hebammen?«
    Tina nickt. »Also ein bisschen schicker darf’s schon sein. Romantik-Dinner, du verstehst?«
    Mit einem entschiedenen Ruck klappt sie das Laptop zu. »Kennwort ›Bambino‹. Ich fasse es nicht! Nur gut, dass wir damit nichts am Hut haben!«

3. Kapitel
Es wird noch ein sehr schöner Tag werden
es wird noch ein sehr schöner Tag werden
Oh ich wünschte
Ich könnte es mir glauben.
Bernd Begemann: »Es wird noch ein sehr schöner Tag werden«
    I mmer, wenn ich angespannt bin, bastele ich. Das beruhigt mich. Wenn meine Hände beschäftigt sind, weicht die Nervosität. Wenn ich ausschneide, klebe oder falte, fühle ich mich wie unter einer Tarnkappe und habe ich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, Anfassbares zu produzieren. Etwas, das meine Existenz bestätigt.
    Renovieren jedoch ist Knochenarbeit. Ich habe an einem Tag nicht nur das letzte Zimmer gestrichen (in einem hellen Aprikot-Ton), sondern auch noch einen IKEA-Küchenschrank zusammengebaut. Dabei habe ich mir fast einen Bruch gehoben, weil ich den Karton mit den Einzelteilen
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