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Kleine freie Männer

Kleine freie Männer

Titel: Kleine freie Männer
Autoren: Terry Pratchett
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durch einen dünnen Halm atmen zu können, herzlich wenig, wenn man nicht auch sehr gut mit Knoten umzugehen wusste.
    »Du kannst hier nichts Magisches vollbringen?«, fragte die Stimme vom Hut.
    »Nein«, gestand Fräulein Tick.
    Sie sah auf, als sie ein Klimpern hörte. Eine seltsame Prozession kam über die weiße Straße. Zum größten Teil bestand sie aus Eseln, die kleine Wagen mit bunten Planen zogen. Menschen gingen neben den Wagen, bis zu den Hüften voller Staub. Es waren hauptsächlich Männer, die bunte Umhänge trugen, beziehungsweise Umhänge, die einmal bunt gewesen waren, bevor man sie über Jahre hinweg durch Schlamm und Staub gezogen hatte. Auf jedem Kopf ruhte ein sonderbarer viereckiger Hut.
    Fräulein Tick lächelte.
    Die Fremden sahen aus wie Kesselflicker, aber sie wusste, dass nicht einer von ihnen imstande war, wirklich einen Kessel zu flicken. Sie verkauften unsichtbare Dinge. Und nachdem sie ihre Ware verkauft hatten, besaßen sie sie noch immer. Sie verkauften, was alle brauchten, aber oft nicht wollten. Sie verkauften den Schlüssel zum Universum an Leute, die nicht einmal wussten, dass es verschlossen war.
    »Ich kann nichts tun«, sagte Fräulein Tick und straffte die Schultern. »Aber ich kann unterrichten.«
    Tiffany verbrachte den Rest des Vormittags in der Molkerei und kümmerte sich dort um den Käse.
    Zum Mittagessen gab es Brot und Marmelade. Ihre Mutter sagte: »Die Lehrer kommen heute. Du kannst zu ihnen gehen, wenn du mit der Arbeit fertig bist.«
    Tiffany räumte ein, dass es ein oder zwei Dinge gab, über die sie gern mehr gewusst hätte.
    »Du kannst ein halbes Dutzend Karotten und ein Ei haben«, sagte ihre Mutter. »Über ein Ei freuen sie sich bestimmt, die armen Leute.«
    Nach dem Essen machte sich Tiffany auf den Weg, um Bildung im Wert eines Eis zu bekommen.
    Die meisten Jungen im Dorf machten schließlich die gleiche Arbeit wie ihre Väter, oder die Arbeit anderer Väter im Dorf, die diese ihnen nach und nach beibrachten. Von den Mädchen erwartete man, dass sie zu Ehefrauen wurden. Und dass sie schreiben und lesen konnten. Das hielt man für Heimarbeit, zu knifflig für Jungen.
    Allerdings waren alle der Meinung, dass es noch einige andere Dinge gab, über die selbst die Jungen Bescheid wissen sollten, damit sie nicht ihre Zeit vergeudeten mit Fragen nach Einzelheiten wie »Was liegt auf der anderen Seite der Berge?« und »Warum fällt Regen vom Himmel?«
    Jede Familie im Dorf kaufte jedes Jahr eine Ausgabe des Almanachs, und darauf basierte eine Art Bildung. Der Almanach war groß und dick und wurde irgendwo in der Ferne gedruckt; er berichtete detailliert über Dinge wie Mondphasen und die richtige Saatzeit für Bohnen. Darüber hinaus enthielt er Prophezeiungen für das kommende Jahr und erwähnte ferne Orte mit Namen wie Klatsch und Her-scheba. Tiffany hatte ein Bild von Klatsch im Almanach gesehen. Es zeigte ein Kamel in einer Wüste - ihre Mutter hatte ihr erklärt, was beides war. Klatsch, ein Kamel in einer Wüste. Sie hatte sich gefragt, ob nicht ein wenig mehr dahinter steckte, aber »Klatsch - Kamel + Wüste« schien alles zu sein, was man darüber wusste.
    Und das war das Problem. Wenn man der Sache keinen Riegel vorschob, würden die Leute immer neue Fragen stellen.
    Und da kamen die Lehrer ins Spiel. Gruppen von ihnen reisten durch die Berge, zusammen mit Kesselflickern, mobilen Schmieden, Wunderheilern, Tuchhändlern, Wahrsagern und all den anderen Leuten, die Dinge verkauften, die man nicht jeden Tag brauchte, manchmal aber nützlich waren.
    Sie zogen von Dorf zu Dorf und boten kurze Vorträge über viele Themen an. Sie hielten sich abseits der anderen Reisenden und wirkten recht geheimnisvoll in ihren zerlumpten Umhängen und sonderbaren viereckigen Hüten. Sie benutzten lange Wörter wie »Wellblechdach«. Sie schlugen sich mehr schlecht als recht durch und überlebten mithilfe der Nahrungsmittel, die sie von ihren Zuhörern bekamen. Wenn ihnen niemand zuhörte, lebten sie von gebackenen Igeln. Sie schliefen unter den Sternen - die Mathematiklehrer zählten sie, die Astronomielehrer vermaßen sie, und die Literaturlehrer nannten ihre Namen. Die Geografielehrer verirrten sich im Wald und fielen in Bärenfallen.
    Normalerweise freute man sich über die Ankunft der Lehrer. Sie lehrten die Kinder genug, um sie zum Schweigen zu bringen, und das war das Wichtigste. Aber bei Einbruch der Nacht musste man sie aus dem Dorf jagen, damit sie keine Hühner
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