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Kleine Freie Männer

Kleine Freie Männer

Titel: Kleine Freie Männer
Autoren: Terry Pratchett
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wichtigste aller Lektionen lernen«, sagte Fräulein Tick.
    »Und die wäre?«
    »Verwende keine Magie. Hexen benutzen nur dann
    Magie, wenn ihnen keine Wahl bleibt. Magie ist harte
    Arbeit und schwer zu kontrollieren. Wir befassen uns mit anderen Dingen. Eine Hexe achtet auf alles, was geschieht.
    Eine Hexe macht von ihrem Kopf Gebrauch. Eine Hexe ist sich ihrer selbst sicher. Eine Hexe hat immer Bindfaden dabei …«
    »Ich habe immer Bindfaden dabei!«, sagte Tiffany. »Ist sehr praktisch.«
    »Gut. Allerdings steckt mehr als nur Bindfaden hinter
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    der Hexerei. Eine Hexe erfreut sich an kleinen Details.
    Eine Hexe durchschaut Dinge und blickt um sie herum.
    Eine Hexe sieht weiter als die meisten anderen. Eine Hexe sieht Dinge von der anderen Seite. Eine Hexe weiß, wo sie ist und wann sie ist. Eine Hexe würde Jenny Grünzahn sehen«, fügte Fräulein Tick hinzu. »Was ist passiert?«
    »Woher weißt du, dass ich Jenny Grünzahn gesehen
    habe?«
    »Ich bin eine Hexe«, erwiderte Fräulein Tick. »Rate
    mal.«
    Tiffany sah sich im Zelt um. Es gab nicht viel zu sehen, selbst jetzt nicht, nachdem sich ihre Augen an die
    Düsternis gewöhnt hatten. Die Geräusche der Außenwelt
    drangen durch die schweren Planen.
    »Ich glaube …«
    »Ja?«, fragte die Hexe.
    »Ich glaube, du hast mich mit dem Lehrer sprechen
    gehört.«
    »Stimmt. Ich habe nur meine Ohren benutzt«, sagte
    Fräulein Tick und ließ Untertassen mit Tinte unerwähnt.
    »Erzähl mir von dem Ungeheuer mit Augen so groß wie
    Suppenteller mit acht Zoll Durchmesser. Was haben
    Suppenteller damit zu tun?«
    »Das Ungeheuer wird in einem Märchenbuch erwähnt,
    das ich gelesen habe«, sagte Tiffany. »Darin heißt es, Jenny Grünzahn hätte Augen so groß wie Suppenteller. In dem Buch ist auch ein Bild, aber kein gutes. Deshalb habe ich einen Suppenteller gemessen, um genau Bescheid zu
    wissen.«
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    Fräulein Tick stützte das Kinn auf die Hand und lächelte seltsam.
    »Das war doch in Ordnung, oder?«, fragte Tiffany.
    »Was? Oh, ja. Ah … ja. Vollkommen in Ordnung. Fahr
    fort.«
    Tiffany erzählte von dem Kampf mit Jenny, doch
    Willwoll erwähnte sie nicht, weil sie befürchtete, dass Fräulein Tick vielleicht Anstoß daran genommen hätte. Die Hexe hörte aufmerksam zu.
    »Warum die Bratpfanne?«, fragte sie. »Du hättest dir
    einen Knüppel besorgen können.«
    »Eine Bratpfanne schien mir einfach besser geeignet«,
    sagte Tiffany.
    »Ha! Damit hattest du völlig Recht. Jenny hätte dich
    gefressen, wenn du so dumm gewesen wärst, einen
    Knüppel zu benutzen. Eine Bratpfanne besteht aus Eisen, und solche Wesen können Eisen nicht ausstehen.«
    »Aber es ist ein Ungeheuer aus einem Märchenbuch!«,
    sagte Tiffany. »Warum taucht es plötzlich in unserem
    kleinen Fluss auf?«
    Fräulein Tick sah Tiffany eine Zeit lang an und fragte dann: »Warum möchtest du eine Hexe sein, Tiffany?«
    Es hatte mit Mährchen für liebe Kinder begonnen.
    Eigentlich hatte es mit vielen Dingen begonnen, aber vor allem mit den Märchen.
    Ihre Mutter hatte sie ihr vorgelesen, als sie klein
    gewesen war, und später hatte sie sie selbst gelesen. Und in allen Geschichten kam eine Hexe vor. Die böse alte Hexe.
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    Und Tiffany hatte gedacht: Wo sind die Beweise?
    Die Geschichten erklärten nie, warum die Hexe böse war. Es genügte, eine alte Frau und allein zu sein und keine Zähne zu haben, und deshalb seltsam auszusehen. Es
    genügte, Hexe genannt zu werden.
    Eigentlich führte das Buch überhaupt keine Beweise an.
    Es sprach von einem ›hübschen Prinzen‹ … War er
    wirklich hübsch, oder fanden ihn die Leute nur attraktiv, weil er ein Prinz war? Und ›ein Mädchen, das so schön war wie der Tag lang‹ … Welcher Tag war gemeint? Mitten im Winter waren die Tage ziemlich kurz und sehr dunkel! Die Geschichten wollten nicht, dass man dachte. Sie wollten nur, dass man glaubte, was sie erzählten …
    Und sie erzählten, dass die alte Hexe ganz allein in einer seltsamen Hütte wohnte, die aus Pfefferkuchen bestand, oder mit riesigen Hühnerfüßen umherging, dass sie mit den Tieren sprach und zauberte.
    Tiffany kannte nur eine Alte, die jemals allein in einer seltsamen Hütte gewohnt hatte …
    Nein, das stimmte nicht ganz. Aber sie kannte nur eine Alte, die in einer seltsamen Hütte gewohnt hatte, die sich bewegte, und das war Oma Weh. Sie war zu magischen Dingen fähig gewesen, zu Schafmagie, und sie hatte mit Tieren gesprochen, und es war nichts Böses an
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