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Kite

Kite

Titel: Kite
Autoren: Blake Crouch
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ganzen Welt machen.« Ich lächelte und bekam feuchte Augen. »Du musst dich mit Zweitglücklichster begnügen.«
    Dann steckte er mir den Ring an den Finger und küsste mich. In diesem einmaligen und magischen Augenblick wurde aus mir die Frau, die ich schon immer sein wollte.
    Früher hatte ich mich über meinen Beruf definiert.
    Dann hatten meine Beziehungen mich definiert.
    Aber jetzt war ich so weit, dass ich mich selbst definieren wollte.
    Ich war so weit, dass ich mich mochte.
    Und ich war endlich so weit, dass ich glücklich sein konnte.
    Phin verschwand im Haus, um unsere Tochter zu holen. Sein Kuss wirkte noch nach und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich starrte in den Spiegel im Flur und erkannte mich kaum wieder. Die Frau dort wirkte so entspannt, zufrieden und selbstbewusst.
    Diese Frau war ich.
    Andrew Z. Thomas hatte versucht, mich zu brechen, und dabei sein Bestes gegeben.
    Aber er hatte es nicht geschafft.
    Zum ersten Mal in meinen achtundvierzig Jahren fühlte ich mich als ganzer Mensch.

Officer Knight
    Sie hatten die Lager- und Fabrikhallen den ganzen Tag durchsucht und dabei einen schrecklichen Fund nach dem anderen gemacht.
    Überall Leichen.
    Keine Überlebenden.
    Welches Ungeheuer hatte sich diesen furchtbaren Ort in seiner Fantasie ausgedacht und dann auch tatsächlich Wirklichkeit werden lassen?
    Was für ein krankes Hirn steckte dahinter?
    Das hier war die Hölle auf Erden. Anders konnte man es nicht nennen.
    Knight fragte sich, wie er heute Nacht würde schlafen können. Und ob er weiterhin seinen Kindern in die Gesichter sehen konnte, nachdem er einen Ort wie diesen gesehen hatte.
    Er rechnete damit, in absehbarer Zeit eine Therapie machen zu müssen.
    Zuerst war da dieser Wasserturm gewesen.
    Dann der Kühlraum, wo der Bär diese armen Schweine in Stücke gerissen hatte.
    Dann der Raum der Maßlosigkeit.
    Und jetzt das hier … eine Lagerhalle voller Schlamm und eiskaltem Wasser.
    Zwei Leichen lagen auf einer kleinen Insel mitten im Sumpf. Und gleich in der Nähe ein Mann mit abgehackten Gliedmaßen, dessen eines Handgelenk immer noch an einer Kette an der Tür hing.
    Und dann dieser Kahlkopf im Overall, der mit dem Oberkörper auf dem Betonufer lag, die Beine noch im Wasser.
    Knight wusste ehrlich gesagt nicht, wie viele dieser Anblicke er noch verkraften konnte. Es war erst sein zweites Jahr im Streifendienst, aber heute hatte man alle verfügbaren Männer losgeschickt, um an diesem Ort des Grauens nach Überlebenden zu suchen.
    Er schlug seinen Notizblock auf und notierte eine kurze Beschreibung der Lagerhalle und die Anzahl der Opfer – vier.
    Vielleicht steckten noch mehr im Schlamm, aber das war eine Aufgabe für die Polizeitaucher. Nie im Leben würde er da hineinsteigen.
    Plötzlich hustete der Mann im Overall.
    Ach du Scheiße.
    Knight stopfte den Notizblock in die Tasche seines Parkas und eilte an den Wasserrand.
    Er kniete nieder und griff nach der Hand des Mannes.
    »Alles in Ordnung, Kumpel?«
    Der Mann antwortete nicht, aber er atmete eindeutig.
    Knight drehte ihn vorsichtig auf die Seite. Er hatte Schusswunden an Armen und Beinen.
    Und eine im Bauch.
    Um Himmels willen – sein Gesicht. Der arme Kerl hatte sich auch noch verbrannt. Bei näherem Hinsehen stellte Knight fest, dass der ganze Körper mit Narben übersät war.
    Und dennoch atmete er.
    Er hatte überlebt.
    »Ich bin hier, Kumpel«, sagte Knight. »Wir holen Sie hier raus, und dann werden die Ärzte sich um Sie kümmern.«
    Knights Brust schwoll vor Stolz an. Er hatte doch tatsächlich einen Überlebenden gefunden und würde ihm das Leben retten. Er drückte die Sprechtaste seines Schultermikrofons und bemühte sich, mit ruhiger Stimme zu reden. »Hier ist Knight inLagerhalle drei. Ich habe einen Überlebenden gefunden. Wiederhole: einen Überlebenden. Mehrere Schusswunden und Verletzungen am ganzen Körper, aber der Puls ist stabil. Ich brauche sofort einen Notarzt. Ende.«
    Knight setzte sich neben das vernarbte und verstümmelte menschliche Wrack, dessen Namen er nicht einmal kannte, und wartete auf Hilfe.
    Er hielt den Mann bei der Hand und betete für ihn. Er versicherte ihm immer wieder, dass alles in Ordnung sein würde.
    »Sie werden es schaffen, Kumpel. Sie werden die beste ärztliche Versorgung bekommen.«
    Das Wrack öffnete den Mund und krächzte mit heiserer Stimme: »Norco?«
    »Selbstverständlich. Wir holen Sie hier raus, und dann bekommen Sie Spritzen, damit die Schmerzen
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