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Kismet Knight

Titel: Kismet Knight
Autoren: Lynda Hilburn
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gestatten Sie mir, Ihnen zum Abschied ein Geschenk zu machen.«
    Bevor ich antworten konnte, hatte er seinen Zeigefinger behutsam auf die Stelle zwischen meinen Augen gelegt und dort eine Kreisform gezeichnet. Ich fuhr zurück, als hätte er mich verbrannt. Die Berührung hatte sich wie ein Blitzschlag in Miniaturausführung angefühlt.
    Ich keuchte. »Was haben Sie gerade gemacht?«
    »Ich habe eine Abschirmung über Ihr drittes Auge gelegt – das sechste Chakra –, damit es Sie nicht mehr überwältigt, was ich bin. Ihre Symptome lassen bereits nach.«
    Meine Symptome?
    »Bis zum nächsten Mal!« Er drehte sich um und verließ meine Praxis so lautlos, wie er hereingekommen war.
    Ich rieb mir die Stirn, halb in der Erwartung, dort eine klaffende Wunde zu finden, und war sehr angenehm überrascht, als ich nichts Ungewöhnliches spürte. Tatsächlich fühlte ich mich beinahe kopfschmerzfrei. Wahrscheinlich hatte ich recht gehabt, als ich Devereux für einen Hypnotiseur gehalten hatte, denn unverkennbar wusste er um die Macht der Suggestion. Aber was auch immer der Grund dafür war, dass das Summen, die Benommenheitund der Schmerz verschwunden waren – sie waren fort, und ich war erleichtert.
    Ich schloss beide Türen ab und stellte dabei fest, dass meine Beine zitterten und die Knie kurz davor waren, unter mir nachzugeben. Ich schlurfte zum Sofa hinüber, ließ mich daraufplumpsen und streckte mich auf den weichen Polstern aus, wobei ich mir zugleich die Schuhe von den Füßen streifte. Ich spürte seinen Handkuss immer noch, und wenn ich mir nichts vormachen wollte, musste ich mir eingestehen, dass meine Hormone Achterbahn fuhren.
    Dies war fraglos die merkwürdigste Bekanntschaft gewesen, die ich jemals gemacht hatte.
    Nachdem ich ein paar Minuten lang einfach dort gelegen und versucht hatte, mir darüber klarzuwerden, was genau soeben passiert war, setzte ich mich auf und griff nach dem Informationsblatt, das Devereux ausgefüllt hatte, wobei ich feststellte, dass er viele der Fragen gar nicht beantwortet hatte. Unter Adresse und Telefonnummer hatte er die des Clubs in der Innenstadt angegeben, und beim Geburtsdatum erschienen »8. August 1172« und »31. Oktober 1201«.
    Ach so, verstehe
. Es gehörte zu seiner Geschichte, dass er mir ein menschliches und ein vampirisches Geburtsdatum geliefert hatte. Wie originell! Seinen Einträgen zufolge war er also neunundzwanzig gewesen, als er »in die Dunkelheit wiedergeboren« worden war. Somit musste wohl etwas Einschneidendes passiert sein, als er neunundzwanzig gewesen war, etwas, das ihn veranlasst hatte, sich in diese Maskerade zu flüchten. Viel älter als neunundzwanzig war er mir auch nicht vorgekommen, also konnte es wohl noch nicht allzu lange her sein.
    Auf einmal fühlte ich mich sehr traurig. Was für ein Jammer, dass dieser offensichtlich intelligente und fraglos sehr attraktiveMann sich auf dieses absurde Rollenspiel eingelassen hatte! Oder, und das wäre noch trauriger gewesen, er war so krank, dass er wirklich glaubte, ein Vampir zu sein. Aber da war immer noch das kleine Detail, dass er meine Gedanken erraten hatte. Ich erinnerte mich, einmal einen Artikel über den Zusammenhang zwischen Geisteskrankheit und gesteigerten medialen Fähigkeiten gelesen zu haben. Ich würde das wohl recherchieren müssen.
    Aber warum hatte ich überhaupt zugelassen, dass er mich derartig durcheinanderbrachte? Ich schämte mich geradezu dafür, dass ich mich so unprofessionell aufgeführt hatte – so irrational. Ich hatte noch niemals so auf einen Patienten reagiert. Ich schuldete Devereux eine Entschuldigung. Erst hatte ich zugelassen, dass ich mich von einem Patienten angezogen fühlte, und dann hatte ich die Fassung verloren. Beides war vollkommen inakzeptabel, und beides war sehr untypisch für mich. Ganz offensichtlich war es an der Zeit, dass ich wieder einmal einen Termin mit meiner eigenen Therapeutin vereinbarte; sie würde mir eine Predigt über die Notwendigkeit halten, ein gesundes Gleichgewicht zwischen dem Beruf und dem Privatleben aufrechtzuerhalten. Ich meine – wie unnatürlich war es eigentlich, dass eine dreißigjährige Frau lebte wie eine zölibatäre Einsiedlerin?
    Wenn meine Erfahrungen mit Tom dazu geführt hatten, dass ich mich in männlicher Gesellschaft jetzt zu unwohl fühlte, um noch normal mit einem sexuell anziehenden Patienten umgehen zu können, dann sollte ich wohl entweder etwas unternehmen, um das Problem beizulegen, oder mir einen
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