Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
die beiden zerschlugen sich sofort, als ich William in der Küche sah. Mit mürrischer Miene saß Henry mit seinem üblichen Glas Jack Daniel’s in seinem Schaukelstuhl, während Mattie ein Glas Weißwein in der Hand hielt.
    William, der zwei Jahre älter ist als Henry, hat ihm schon immer so ähnlich gesehen, dass man ihn für seinen Zwillingsbruder hätte halten können. Zwar wurde Williams weißer Schopf bereits schütter, wo Henrys Haarwuchs noch üppig war, doch seine Augen waren vom gleichen leuchtenden Blau, und er befleißigte sich einer ebenso aufrechten militärischen Haltung. Er trug einen schicken dreiteiligen Anzug, über dessen Weste sich die Uhrkette zog. Ich klopfte an die Scheibe, woraufhin Henry mich hineinwinkte. William erhob sich, als er mich sah, und ich wusste, er würde stehen bleiben, wenn ich ihn nicht zum Sitzen aufforderte. Auch Mattie stand auf, um mich zu begrüßen, und obwohl wir uns nicht direkt umarmten, gaben wir uns zumindest die Hand und wechselten einen Luftkuss.
    Sie war Anfang siebzig, groß und schlank und hatte weiches, silberfarbenes Haar, das sie in einem Knoten oben auf dem Kopf trug. Ihre Ohrringe glitzerten im Licht — silbern, übergroß und handgefertigt.
    »Hallo, Mattie«, begrüßte ich sie. »Wie geht’s? Sie müssen ja ganz pünktlich angekommen sein.«
    »Schön, Sie zu sehen. Ja, genau.« Sie trug eine korallenrote Seidenbluse und einen langen bunten Rock zu flachen Wildlederschuhen. »Trinken Sie ein Glas Wein mit uns?«
    »Ich glaube nicht, aber trotzdem danke. Ich habe noch etwas zu erledigen und muss gleich wieder los.«
    »Trink ruhig ein Glas Wein«, sagte Henry mit düsterer Stimme. »Warum denn nicht? Und bleib doch gleich zum Abendessen. William hat sich ja bereits eingeladen, also ist es sowieso schon egal. Rosie hat ihn nicht mehr um sich ertragen, deshalb hat sie ihn hierher geschickt.«
    »Sie hat vollkommen grundlos einen Wutanfall bekommen«, ergänzte William. »Ich war gerade vom Arzt zurück und wusste, dass sie hören wollte, wie meine Blutwerte ausgefallen waren, vor allem der HDL-Wert. Vielleicht möchtet ihr auch mal einen Blick darauf werfen.« Er hielt uns das Blatt hin und deutete mit gewichtiger Miene auf die lange Zahlenkolonne, die sich rechts die Seite hinabzog. Mein Blick wanderte an seinen Blutzucker-, Natrium-, Kalium-, und Chloridwerten entlang, ehe mir Henrys Gesichtsausdruck auffiel. Seine Augäpfel hatten sich so weit in Richtung Nasenrücken verdreht, dass ich schon fürchtete, sie würden die Seiten wechseln. William ließ nicht locker. »Ihr seht also, dass das Verhältnis zwischen LDL und HDL bei mir 1,3 beträgt.«
    »Oh, tut mir Leid. Ist das schlimm?«
    »Nein, nein. Der Arzt meinte, das sei hervorragend... angesichts meines Gesundheitszustands.« Williams Stimme enthielt einen Hauch von Hinfälligkeit, der auf einen geschwächten Zustand hindeutete.
    »Tja, schön für dich. Ist doch toll.«
    »Danke. Ich habe unseren Bruder Lewis angerufen und es ihm ebenfalls erzählt. Sein Cholesterinwert liegt bei 214, was in meinen Augen ein Alarmsignal ist. Er sagt zwar, er tut, was er kann, aber bis jetzt hat das nicht viel gebracht. Du kannst das Blatt Mattie weiterreichen, wenn du es durchgelesen hast.«
    »Würdest du dich bitte setzen, William?«, sagte Henry. »Ich kriege gleich Genickstarre.« Er verließ seinen Schaukelstuhl und nahm ein weiteres Weinglas aus dem Küchenschrank. Er schenkte es bis zum Rand voll und reichte es mir, wobei er mir ein wenig Wein auf die Hand goss.
    William weigerte sich, Platz zu nehmen, bevor ich mir einen Stuhl genommen hatte. Ich setzte mich mit einem kaum hörbaren »Danke schön« und fuhr dann betont interessiert mit dem Finger die Spalten mit Untersuchungsgegenständen und Messwerten auf seinem Arztbericht entlang. »Du bist gut in Form«, sagte ich, als ich das Blatt an Mattie weiterreichte.
    »Na ja, ich habe immer noch Herzklopfen, aber der Arzt will meine Medikamentendosis neu einstellen. Er meint, ich sei ein Phänomen für einen Mann meines Alters.«
    »Wenn du dermaßen vor Gesundheit strotzt, warum musst du dann alle zwei Tage in die Notfallambulanz?«, fauchte Henry.
    William zwinkerte Mattie gelassen zu. »Mein Bruder geht leichtsinnig mit seiner Gesundheit um und will nicht anerkennen, dass manche von uns eben Vorsorge treffen.«
    Henry schnaubte nur.
    William räusperte sich. »Na gut. Wechseln wir eben das Thema, da Henry mit dem hier offenbar nicht zurechtkommt. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher