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Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung

Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung

Titel: Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
Autoren: Grafton,Sue
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eine Horde geiler Teenager zu einem Werktags-Vögelfest im Tuley-Belle anrückte. Vielleicht war ich doch nicht ganz so leise gewesen, wie ich gedacht hatte. Womöglich hatte sie infolge der Besonderheiten der Wüstenakustik sogar jeden meiner Schritte gehört und lediglich auf mich gewartet.
    In den Händen hielt sie die Schaufel, und ich sah, wie sie die Arme hob und die Schaufel wie eine Axt über den Kopf schwang. Ich musste ihre Kraft bewundern. Was sie da tat, war nicht leicht. Die Schaufel sah schwer aus, und ich hätte nicht gedacht, dass sie sich so viel Kraft im Oberkörper antrainiert hatte. Doch aus ihrer Sicht war dies ein Notfall, also konnte sie vielleicht Reserven abrufen, von denen sie gar nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß.
    Wie in vielen Krisenmomenten im Laufe eines Lebens erzeugte die Schnelligkeit, mit der sich die folgenden Ereignisse entwickelten, den gegenteiligen Effekt, sodass sie in der weichen, traumähnlichen Art von Zeitlupenaufnahmen abliefen. Wie in einer Abfolge von Einzelbildern hoben sich Justines Arme weiter und weiter, bis die Schaufel den Scheitelpunkt erreicht hatte. Ich sah sie schimmern, als sie sich zu senken begann, warf mich nach links und hob den rechten Arm, während ich versuchte zu zielen und Dolans Pistole abzufeuern, bevor die Schaufel ihr Ziel traf. Hätte Justine ihr Werkzeug mit lotrechtem Blatt geführt und mich seitlich getroffen, hätte sie mir vermutlich den Arm bis auf den Knochen aufgehackt. Aber so kollidierte die flache Seite der Schaufel mit meinem Unterarm, und die Pistole flog in die Finsternis. Ich hörte sie nicht einmal fallen. Die Schaufel kam erneut herunter. Ein durchdringender Schmerz breitete sich von meiner linken Schulter her aus und ebbte wieder ab. Es war seltsam. Ich wusste, dass sie einen Treffer gelandet hatte, doch ich war so von Adrenalin überschwemmt, dass der Schmerz verschwand. Mit wackligen Knien stolperte ich los, von der Attacke beinahe außer Gefecht gesetzt.
    Die Smith & Wesson lag knapp zwei Meter entfernt. Abermals kam die Schaufel herabgesaust. Diesmal klirrte sie mit solcher Wucht gegen die Oberseite der Fahrerkabine des Pick-ups, dass sie Justine aus den Händen fiel. Ich rannte gegen Justine an und schubste sie, so fest ich konnte. Sie stolperte nach hinten, konnte sich aber abfangen, bevor sie hinfiel. Dabei stieß sie heisere Laute aus. Wahrscheinlich wollte sie ihre Kräfte sammeln, um nach Cornell zu rufen. Ich packte die Schaufel, schwang sie wie eine Sichel und landete einen Schlag gegen Justines Schienbeine. Sie schrie auf. Als ich wieder hinsah, lag sie auf dem Boden. Cornell kam aus dem Gebäude gelaufen. Genau in dem Moment, als er mich sah, kam sie wieder auf die Beine und griff nach der Tür des Pick-ups. Sie riss sie auf, stieg auf der Fahrerseite ein und brüllte ihn an: »Steig ein! Steig ein!«
    Ich taumelte vorwärts, schnappte mir die Pistole und löste die Sicherung. Er warf sich gegen das Heck, als sie den Wagen anließ. Sie stieß zurück, schaltete, jagte den Motor hoch, schlug das Lenkrad ein und preschte mit durchdrehenden Reifen los. Er zog sich über die Seitenwand auf die Ladefläche und verschwand aus meinem Blickfeld. Ich drehte mich um, streckte mit beiden Händen an der Pistole die Arme aus und zielte. Es half, dass ich stinksauer war. Ich sprach laut vor mich hin und ermahnte mich selbst dazu, mir Zeit zu lassen. Es bestand kein Grund zur Panik. Der Boden war eben, und ich könnte die beiden noch lange im Blick behalten. Auf einmal sah ich eines ihrer Rücklichter zwischen Kimme und Korn der Pistole und drückte den Abzug. Ich hatte nicht darauf geachtet, was Dolan für Munition geladen hatte, aber wenn ich mich recht erinnerte, so kommt die durchschnittliche 9-Millimeter/6,5-Gramm-Pistolenkugel mit einer Geschwindigkeit zwischen 330 und 560 Metern pro Sekunde aus dem Lauf, je nach Durchsatz. Vielleicht lag ich mit meinen Zahlen ein bisschen daneben, aber nicht viel. Ich schoss. Der Rückstoß war wie ein kurzes Niesen, bei dem der Lauf einen kleinen Ruck nach oben und nach hinten machte. Ich verfehlte mein Ziel, legte neu an, schoss abermals und hörte einen Reifen platzen. Cornell hatte sich flach auf die Ladefläche gelegt. Ich visierte erneut und schoss, doch wieder daneben. Noch einmal zielte ich und feuerte weitere vier Schüsse ab, wobei ich versuchte, mit jedem zu treffen. Als ich innehielt, waren beide Hinterreifen platt. Der Pick-up brach aus und kam fast von selbst zum
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