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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
Autoren: Sue Grafton
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surrte. Klick, klick, klick. Es war wie beim Flippern. Gedanken schössen umher, lösten Glocken aus und stießen gegen die Bande. Ich dachte an den Angestellten des Gramercy. Warum hatte er mir nicht erzählt, dass der falsche Zivilfahnder schwarz gewesen war? Man sollte doch annehmen, dass er sich an etwas so Auffälliges erinnern müßte. Mein Verstand befand sich immer noch auf Zickzackkurs. Ich konnte keinen Gedanken festhalten und ihn konsequent verfolgen. Klick, klick.
    Wie Billardkugeln. Die weiße Kugel traf in die Mitte, und sämtliche anderen Kugeln auf dem Tisch schössen in verschiedenen Richtungen davon. Ich wünschte, ich hätte mit Leland Peck gesprochen, bevor ich Santa Teresa verlassen hatte. Mir war äußerst merkwürdig zumute. Richtig beklommen. Geräusche wurden ein- und wieder ausgeblendet. Ich konnte sie durch den Raum wallen sehen: Sätze, die wie Surfer auf unsichtbaren Wellen ritten.
    Brant redete immer noch. Für mich klang es wie dummes Gewäsch, aber irgendwie ergab es eine seltsame Logik. »Pinkie hat Barrett angemacht. Sie war beim Wandern in den Bergen und ist auf das Angellager der beiden gestoßen.« Er laberte immer weiter und erschuf Wortbilder, die so lebhaft waren, dass ich das Gefühl hatte, es sei mir selbst passiert.
    »Barrett wurde überfallen. Er hat ihr eine Pistole an den Kopf gehalten und sie vergewaltigt. Sie wurde bedroht und sexuell mißbraucht. Pinkie hat sie anal penetriert und verletzt. Er hat sie gezwungen, unaussprechliche Dinge zu tun. Alfie ist nicht eingeschritten. Er hat ihr keinerlei Hilfe angeboten, sondern ist davongerannt und hat sie Pinkies Willkür überlassen. Barrett kam in völlig hysterischem Zustand zurück; sie hatte einen Schock. Rafer hat Pinkie verfolgt und zur Strecke gebracht. Er hat ihn gefesselt und an einem Ast aufgeknüpft.
    Dort hat er ihn für das, was er ihr angetan hat, langsam sterben lassen. Er hätte auch Alfie umgebracht, aber der konnte entkommen und von hier verduften. Rafer hat sich die ganzen Jahre in Sicherheit gewähnt, aber dann ist Pinkies Leiche aufgetaucht, und Dad hat die Verbindung zwischen den beiden Männern gefunden. Er ist den ganzen Weg nach Santa Teresa gefahren, um mit Alfie zu sprechen, aber Rafer ist ihm zuvorgekommen. Er hat Toth auf genau die gleiche Art aufgeknüpft wie Pinkie.« Brant musterte mich mit ernstem Blick. »Was ist denn mit Ihren Augen los?«
    »Mit meinen Augen?« Sowie er es erwähnt hatte, merkte ich, dass mein Blickfeld zu schwanken begonnen hatte und die Bilder von einer Seite zur anderen rutschten wie bei schlechter Kameraführung. Mir war schwindlig, als stünde ich kurz davor, in Ohnmacht zu fallen. Ich setzte mich und streckte den Kopf zwischen die Knie. In meinen Ohren rauschte es.
    »Alles in Ordnung?«
    »Bestens.« Lichter schienen zu pulsieren, und Geräusche kamen und gingen.
    Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich hörte, was er sagte, aber ich brachte die Wörter nicht zum Stillstehen. Ich sah Rafer mit der Schlinge. Ich sah, wie er sie um Pinkies Hals festzog. Ich sah, wie er Alfie in der Wildnis aufknüpfte. Ich spürte seine Wut und den Schmerz, den er über das empfand, was sie seiner einzigen Tochter angetan hatten. Ich sagte: »Woher wissen Sie das alles?«
    »Weil Barrett es mir damals erzählt hat. Herrgott, Kinsey! Deshalb habe ich mich ja von ihr getrennt. Ich war zwanzig Jahre alt. Ich konnte damit nicht umgehen«, sagte er gequält.
    »Tut mir leid. Tut mir leid«, sagte ich, vergaß aber auf der Stelle, wer mein Mitleid mehr verdient hatte - Barrett, weil sie vergewaltigt worden war, oder Brant, weil er nicht die nötige Reife besaß, um damit umzugehen.
    Brants Tonfall wurde vorwurfsvoll. »Sie sind ja völlig high. Ich fasse es nicht! Was zum Teufel haben Sie eingeworfen?«
    »Ich bin high?« Natürlich. Daniel am Klavier. Mein Exmann. So wunderschön. Augen wie ein Engel, ein Heiligenschein aus goldenen Locken und wie ich ihn geliebt habe. Er hat mir einmal ohne mein Wissen Acid gegeben, und ich sah den Fußboden in den Höllenschlund rutschen. Brant reckte den Kopf. »Was ist das?« zischte er.
    »Was?« »Ich habe etwas gehört.« Seine Anspannung übertrug sich auf mich. Seine Angst war ansteckend und so rasch wie ein Bazillus, der durch die Luft übertragen wird. Ich konnte Verderben und Tod riechen. In solchen Situationen war ich schon öfters gewesen.
    »Warten Sie mal.« Brant schlenderte den Flur hinab. Ich sah, wie er aus dem kleinen Zierfenster in der
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