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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
Autoren: Sue Grafton
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ich leise vor mich hin wimmerte. Eine Stadt voller Cowboys, und jemand wollte mir ans Leder. Ich streckte die Hände vor mir aus und sah, wie meine Finger zitterten und die kürzlich ausgerenkten Glieder geschwollen und nutzlos wirkten. Meine Pistole war gestohlen worden. Ich brauchte aber eine Waffe, irgend etwas, womit ich mich gegen den bevorstehenden Angriff wehren konnte. Auf der Suche nach einem Messer fing ich an, Küchenschubladen aufzuziehen, eine nach der anderen. Eine Lade rutschte aus ihren Schienen und knallte mir gegen den Schenkel, während sie sich entleerte. Gegenstände verhakten sich ineinander und fielen auf den Boden zu meinen Füßen. Hinter meinen Lidern spürte ich Tränen brennen. Ich sammelte eine Handvoll Gerätschaften auf und warf sie in die Schublade, aber irgendwie schaffte ich es nicht, die Lade wieder in ihre Schiene zu schieben. Ich knallte sie so fest auf die Arbeitsplatte, dass ein Metallspatel sich aufbäumte und herausfiel. Ich ließ die Schublade stehen, wo sie war. Schließlich fand ich ein Steakmesser von irgendeiner Billigmarke, das aussah wie eine Gratis-Beigabe in einer Waschmittelpackung. Das Deckenlicht spiegelte sich auf seiner Oberfläche. Ich konnte die Zahnung an der Schneide erkennen. Was würde mir ein gezahntes Steakmesser gegen eine abgefeuerte Kugel helfen? Stunden schienen zu vergehen.
    Ich konnte den großen Zeiger an der Küchenuhr bei jeder Sekunde ticken hören.
    Draußen vernahm ich quietschende Bremsen, dann eine Autotür, die zugeschlagen wurde. Ich drehte mich um und starrte zur Tür. Was, wenn es jemand anders war? Was, wenn sie es waren? Die Tür flog auf, und vor mir stand Brant in Zivilkleidung. Er kam mit der beruhigenden Masse eines Schlachtschiffs auf mich zu. Ich streckte eine Hand aus, und er ergriff sie.
    »Mein Gott, Sie sehen ja schrecklich aus! Wie ist der Typ denn hereingekommen?«
     Ich wies auf mein Zimmer und folgte ihm unbewußt, als er zielstrebig den Flur in dieser Richtung entlangging. Er sah sich nur kurz und oberflächlich um, dann verließ er das Gästezimmer wieder und ging der Reihe nach den Rest des Hauses ab, wobei er in jeden Wandschrank, jede Ecke und jeden Winkel blickte. Dann stieg er in den Keller hinab. Ich wartete oben an der Treppe und knetete meine verletzte Hand. Meine Finger bargen eine seltsame Faszination für mich - so ungeschickt und geschwollen. Wo war meine Pistole? Wie konnte ich mich verteidigen, wenn ich das Messer auf der Arbeitsplatte hatte liegen lassen?
    Brant ging zurück in die Küche. Ich folgte ihm wie ein Entenjunges. An seinem Tonfall hörte ich, dass er um Beherrschung rang. Etwas an seiner Art ließ den Ernst der Lage spüren. »Hat er das Notizbuch mitgenommen?«
    Ich merkte, wie ich mit den Zähnen knirschte. »Wer?«
    »Der Typ, der eingebrochen ist«, sagte er scharf.
    »Ich hatte es in der Tasche«, erwiderte ich. »War es das, wohinter er her war?«
    »Natürlich«, erklärte Brant. »Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb er sonst das Risiko hätte eingehen sollen. Berichten Sie mir genau, was Sie heute gemacht haben. Zu welcher Zeit haben Sie das Haus verlassen, und wie lange waren Sie weg?«
    Auf eine Art, die mir weitschweifig und unverständlich vorkam, sprudelte ich die Geschichte meiner Zurückweisung hervor, die Weigerung der Tankwarte, mir Benzin zu verkaufen, und meinen anschließenden Aufenthalt im Rainbow, um mich mit Nancy zu unterhalten. Ich erzählte ihm, dass mir Rafer und Vick begegnet seien und ich mit Cecilia und Barrett gesprochen habe. Mein Gehirn arbeitete doppelt so schnell wie meine Lippen, so dass ich mir träge und dumm vorkam. Brant, der Himmel segne ihn, schien dem Stakkato meiner Ausführungen folgen zu können und füllte die Lücken, wenn mir gelegentlich ein Wort nicht einfiel. Was war los mit mir? Ich wußte, dass ich mich schon einmal so gefühlt hatte - so verängstigt - so machtlos - so daneben ... Brant starrte mich an. »Sie haben tatsächlich mit ihm gesprochen?«
     Von wem redete er eigentlich? »Mit wem?« Meine Stimme klang dumpf. »Rafer.«
    Was hatte ich gefragt? Was hatte er zuvor gesagt? Was hatte Rafer womit zu tun? »Was?« »Rafer. Im Rainbow.« »Ja. Ich bin ihm im Rainbow begegnet.«
    »Das weiß ich. Sie haben es mir ja gerade erzählt. Ich habe gefragt, ob Sie mit ihm gesprochen haben«, sagte er mit übertriebener Geduld.
    »Klar.«
    »Sie haben mit ihm gesprochen?!« Seine Stimme war vor Beunruhigung lauter geworden. Ich sah das
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