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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos
Autoren: Sue Grafton
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sprechen?«
    Das überraschte mich total, da ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht hatte. »Wen? Äh... Alvin Limardo. Hat John Alvin je erwähnt?«
    »Nein, ich glaube nicht. Aber vielleicht sind Sie hier doch nicht richtig. Der John Daggett, der hier gewohnt hat, ist derzeit im Gefängnis, und zwar seit, ich würde sagen, zwei Jahren.« Seine Art ließ einen Mann ahnen, der selbst noch aus einer falschen Verbindung interessante Möglichkeiten zieht. Trotzdem war es klar, daß ich ins Schwarze getroffen hatte.
    »Das ist genau der, von dem ich rede. Er war in San Luis Obispo.«
    »Ist er noch.«
    »O nein. Er ist draußen. Er ist vor sechs Wochen entlassen worden.«
    »John? O nein, Ma’am. Der ist noch im Gefängnis, und ich hoffe, er bleibt auch da. Ich will ja nichts Schlechtes von dem Mann sagen, aber er ist genau das, was ich einen problematischen Menschen nenne.«
    »Problematisch?«
    »Nun ja. So muß man das wohl sehen. John gehört zu der Sorte Menschen, die Probleme schaffen, und zwar für gewöhnlich ernsthafte.«
    »Ach, wirklich? Das habe ich gar nicht gemerkt.« Es gefiel mir, daß der Mann bereit war zu schwatzen. Wenn ich ihn am Reden halten konnte, fiel mir vielleicht sogar noch ein, wie ich eine Verbindung zu Daggett herstellen könnte. Ich gab einen Schuß ins Blaue ab. »Sind Sie sein Bruder?«
    »Ich bin sein Schwager, Eugene Nickerson.«
    »Dann müssen Sie mit seiner Schwester verheiratet sein.«
    Er lachte. »Nein, er ist mit meiner Schwester verheiratet. Sie war eine Nickerson, ehe sie eine Daggett wurde.«
    »Dann sind Sie Lovellas Bruder?« Ich versuchte mir Geschwister mit einem Altersunterschied von vierzig Jahren vorzustellen.
    »Nein, Essies.«
    Ich hielt den Hörer ein Stück von meinem Ohr ab und starrte ihn an. Wovon redete er eigentlich? »Ah, Moment mal. Vielleicht bin ich ein wenig durcheinander. Vielleicht reden wir doch nicht von demselben Mann.« Ich gab ihm ein kurzes Porträt in Worten von dem John Daggett, den ich kannte. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, daß es zwei geben sollte, aber irgend etwas stimmte hier nicht.
    »Das ist er schon. Wie, sagten Sie, haben Sie ihn kennengelernt?«
    »Ich habe ihn letzten Samstag getroffen, hier in Santa Teresa.«
    Das Schweigen am anderen Ende der Leitung wog schwer.
    Schließlich unterbrach ich es. »Gibt es eine Möglichkeit, daß ich vorbeikomme, damit wir uns in Ruhe unterhalten können?« fragte ich.
    »Ich glaube, das wäre das beste. Wie heißen Sie wieder?«
    »Kinsey Millhone.«
    Er erklärte mir, wie ich zu dem Haus kommen würde.

    Es war ein weißes Haus mit einer kleinen Holzveranda, das sich in den Schatten des Capillo Hill auf der Westseite der Stadt duckte. Es war eine kurze Straße, nur drei Häuser auf jeder Seite, ehe der Teerbelag in den Kiesflecken überging, der neben dem Haus der Daggetts als Parkplatz diente. Auf der anderen Seite des Hauses wuchsen spärliche Bäume und Unterholz auf dem Hügel. Sonnenlicht drang niemals in den Hof. Ein durchhängender Zaun aus Maschendraht verlief entlang der Grundstücksgrenzen. In Intervallen waren Büsche eingepflanzt worden, waren aber nicht angegangen, so daß es jetzt nur Haufen getrockneter Zweige gab. Das Haus hatte einen Armesünderblick wie ein Streuner, der nur darauf wartete, daß die Hundefänger kommen.
    Ich stieg die steilen Holzstufen empor und klopfte. Eugene Nickerson öffnete die Tür. Er war ziemlich genau so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte: um die Sechzig, von mittlerer Größe, mit drahtigem, grauem Haar und zusammengezogenen Augenbrauen. Seine Augen waren klein und blaß, die Wimpern nahezu weiß. Schmale Schultern, dicke Taille, Hosenträger, Flanellhemd. In der linken Hand hielt er eine Bibel, den Zeigefinger zwischen den Seiten, um die Stelle nicht zu verlieren.
    O-ho, dachte ich.
    »Ich muß Sie noch einmal um Ihren Namen bitten«, sagte er, als er mich einließ. »Mein Gedächtnis ist auch nicht mehr, was es mal war.«
    Ich schüttelte ihm die Hand. »Kinsey Millhone. Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Nickerson. Ich hoffe, ich störe nicht.«
    »Aber überhaupt nicht. Wir bereiten uns auf unsere Bibelstunde vor. Normalerweise treffen wir uns mittwochs abends, aber diese Woche liegt unser Pfarrer mit Grippe im Bett, und deshalb ist das Treffen verschoben worden. Das ist meine Schwester, Essie Daggett, Johns Frau.« Er zeigte auf die Frau, die auf dem Sofa saß. »Sie können mich Eugene nennen, wenn Sie wollen«, fügte er noch
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