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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos
Autoren: Sue Grafton
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meisten Gesetze und finde, daß andere Leute das ebenfalls tun sollten... schon allein aus Höflichkeit. Wenn es um Gerechtigkeit geht, bin ich pedantisch, aber ich lüge auch, wenn es nötig ist. Unbeständigkeit hat mich noch nie beunruhigt.
    Es war Ende Oktober, am Tag vor Halloween, und das Wetter im Mittelwesten spielte Herbst — klar und sonnig und kühl. Als ich in die Stadt fuhr, hätte ich schwören können, daß Holzrauch in der Luft lag, und ich erwartete fast, daß die Blätter sich gelb und rot verfärbten. Statt dessen sah ich nur dieselben alten Palmen, dasselbe gnadenlose Grün überall. Die Brände des Sommers waren unter Kontrolle, die Regenfälle hatten noch nicht eingesetzt. Es war eine typische kalifornische Nicht jahreszeit, aber sie kam mir vor wie Herbst, und ich reagierte mit übermäßig guter Laune, dachte daran, am Nachmittag zum Schießplatz hinauszufahren, was ich immer tue, wenn ich etwas zum Lachen haben will.
    An diesem Samstagmorgen war ich ins Büro gekommen, um ein paar buchhalterische Aufgaben zu erledigen — Rechnungen zu bezahlen, meine Monatserklärungen fertigzumachen. Ich hatte meine Rechenmaschine aufgestellt, ein Formular in die Schreibmaschine eingespannt, und vier ausgefüllte Erklärungen lagen links von mir auf dem Schreibtisch, adressiert und gestempelt. Ich war so in meine Aufgabe vertieft, daß ich gar nicht merkte, daß jemand in der Tür stand, bis der Mann sich räusperte. Ich reagierte mit einem dieser kleinen Sätze, wie man sie macht, wenn man die Abendzeitung aufschlägt und eine Spinne rausläuft. Der Mann fand das offenbar amüsant, aber ich mußte mich auf die Brust schlagen, um meinen Herzschlag wieder zu verlangsamen.
    »Ich bin Alvin Limardo«, erklärte er. »Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe.«
    »Schon gut. Ich hatte bloß keine Ahnung, daß Sie da standen. Suchen Sie mich?«
    »Wenn Sie Kinsey Millhone sind, ja.«
    Ich stand auf und schüttelte ihm über den Schreibtisch hinweg die Hand. Dann forderte ich ihn auf, Platz zu nehmen. Mein erster flüchtiger Eindruck war, daß er ziemlich heruntergekommen war, aber auf den zweiten Blick fand ich nichts, was diesen Eindruck untermauert hätte.
    Er war um die Fünfzig, zu hager, um bei guter Gesundheit zu sein. Sein Gesicht war lang und schmal, das Kinn ausgeprägt. Sein Haar war aschgrau, kurz geschnitten, und er roch nach Zitrus-Cologne. Die Augen waren haselnußbraun, sein Blick distanziert. Der Anzug, den er trug, war von einem sonderbaren Grünton, seine Hände waren riesig mit langen, knochigen Fingern und deutlich vergrößerten Knöcheln. Die fünf Zentimeter schmalen Handgelenke, die ohne Manschetten aus den Jackettärmeln ragten, deuteten auf Schäbigkeit hin, obwohl seine Kleidung nicht wirklich abgenutzt aussah. Er hielt ein Stück Papier in der Hand, das er zweimal gefaltet hatte, und damit spielte er jetzt verlegen herum.
    »Was kann ich für Sie tun?« erkundigte ich mich.
    »Ich hätte gern, daß Sie das zustellen.« Er strich das Stück Papier glatt und legte es auf meinen Tisch. Es war eine Bankanweisung auf eine Bank in Los Angeles, mit Datum vom 29. Oktober, und ausgestellt auf eine Person namens Tony Gahan über eine Summe von fünfundzwanzigtausend Dollar.
    Ich versuchte, nicht so überrascht auszusehen, wie ich mich fühlte. Er sah nicht aus wie ein Mann, der Geld übrig hatte. Vielleicht hatte er die Summe von Gahan geliehen und zahlte sie jetzt zurück. »Erzählen Sie mir, worum es da geht?«
    »Er hat mir einen Gefallen getan. Ich möchte mich bedanken. Das ist alles.«
    »Das muß aber ein großer Gefallen gewesen sein. Sind Sie böse, wenn ich frage, was er getan hat?«
    »Er war freundlich zu mir, als ich ganz unten war.«
    »Und deshalb brauchen Sie jetzt mich?«
    Er lächelte kurz. »Ein Anwalt würde einhundertzwanzig Dollar die Stunde verlangen, wenn er es erledigen sollte. Ich vermute, Sie berechnen weit weniger.«
    »Eine Botenagentur ebenfalls«, sagte ich. »Und noch billiger wäre es, wenn Sie es selbst überbringen.« Ich wollte nicht neunmalklug sein, aber ich verstand wirklich nicht, wozu er einen Privatdetektiv brauchte.
    Er räusperte sich. »Das habe ich versucht, aber ich weiß Mr. Gahans derzeitige Adresse nicht genau. Er hat einmal am Stanley Place gewohnt, aber da ist er jetzt nicht. Ich bin heute morgen dort gewesen, das Haus steht leer. Es sieht aus, als hätte schon eine ganze Weile niemand mehr dort gewohnt. Ich möchte, daß ihn jemand
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