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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
Autoren: Sue Grafton
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ein Tablett in der Hand, als er mich sah.
    »Oh, Kinsey. Das trifft sich gut. Komm mal rüber. Da ist jemand, dem ich dich vorstellen möchte«, meinte er.
    Mein Blick folgte dem seinen, und ich sah eine Frau, die auf einem der Klubsessel ausgestreckt lag. Sie muß Mitte Sechzig gewesen sein, plump, mit einer Krone aus braungetönten Locken. Ihr Gesicht war gefurcht wie weiches Leder, aber sie hatte geschickt Make-up aufgetragen. Es waren ihre Augen, die mich störten; ein samtiges Braun, recht groß und, nur einen Moment lang, boshaft.
    Henry stellte das Tablett auf dem runden Metalltisch zwischen den Sesseln ab. »Das ist Lila Sams«, meinte er und nickte dann in meine Richtung. »Meine Mieterin, Kinsey Millhone. Lila ist gerade erst nach Santa Teresa gezogen. Sie hat ein Zimmer bei Mrs. Lowenstein am Ende der Straße gemietet.«
    Mit einem Rasseln ihrer roten Plastikarmreifen streckte sie mir ihre Hand entgegen und machte Anstalten, auf die Füße zu kommen.
    Ich überquerte den Hof. »Bleiben Sie sitzen«, sagte ich. »Willkommen bei uns.« Ich schüttelte ihre Hand und lächelte freundlich. Das Lächeln, das zurückkam, nahm die Kühle aus ihrem Gesicht, und ich merkte, wie ich in Gedanken einen zweiten Anlauf machte und mich fragte, ob ich sie falsch eingeschätzt hatte. »Aus welcher Gegend stammen Sie?«
    »Heute hier, morgen dort«, antwortete sie und blickte verstohlen zu Henry hinüber. »Ich war mir nicht sicher, wie lange ich bleiben würde, aber Henry macht es mir seeehr angeneeehm.«
    Sie trug ein kurzgeschnittenes Sommerkleid aus Baumwolle mit einem hellgrünen und gelben geometrischen Druck auf weißem Untergrund. Ihre Brüste sahen aus wie zwei Fünf-Pfund-Mehlsäcke, deren Inhalt etwas verschüttet worden war. Sie trug ihr Übergewicht vor allem an Busen und Taille, und ihre stämmigen Hüften und Oberschenkel liefen zu einem passablen Paar Waden und fast zierlichen Füßen aus. Sie trug rote Leinenschuhe und dicke rote Ohrklipse aus Plastik. Wie beim Betrachten eines Gemäldes kehrte mein Blick genau auf den Ausgangspunkt zurück. Ich wollte ihr noch mal in die Augen schauen, aber sie war dabei, das Tablett zu untersuchen, das Henry ihr darbot.
    »Herrje. Ja, was haben wir denn da? Du bist vielleicht ein süßer Schatz!«
    Henry hatte einen Teller mit Appetithappen zubereitet. Er ist einer jener Leute, die in die Küche sausen und mit Hilfe der Konserven aus der hintersten Schrankecke einen Feinschmeckerimbiß kreieren können. Alles, was in meiner Schrankecke steht, ist eine alte Schachtel Müsli mit Innenleben.
    Lilas rote Fingernägel bildeten einen winzigen Kran. Sie hob einen der Happen an und beförderte ihn zum Mund. Es sah aus wie ein Kräcker mit einem Häppchen geräuchertem Lachs und einem Tupfer Remoulade darauf. »Hmm, das ist fantastisch «, bemerkte sie mit vollem Mund und leckte sich die Fingerspitzen ab, eine nach der anderen. Sie trug ein paar billige Ringe, deren Steine wie verklebte Rubine aussahen, und einen viereckig geschliffenen Smaragd in der Größe einer Briefmarke mit Diamanten auf jeder Seite. Henry bot mir den Teller mit den Happen an. »Wie wär’s, wenn du jetzt mal einen davon probierst, während ich dir einen Mint Julep mixe?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Wahrscheinlich versuche ich gleich zu joggen, und dann muß ich noch arbeiten.«
    »Kinsey ist Privatdetektivin«, sagte er zu ihr.
    Lilas Augen weiteten sich, und ihre Lider klapperten verwundert. »Du meine Güte. Das ist ja interessant!« Sie sprach überschwenglich und mit größerer Begeisterung, als es der Situation entsprach. Ich war nicht gerade besonders beeindruckt von ihr, und ich bin sicher, daß sie es gespürt hat. In der Regel mag ich ältere Frauen. Ich mag eigentlich fast alle Frauen. Ich finde sie von Natur aus offen und vertrauenswürdig und von einer amüsanten Freimütigkeit, wenn das Gespräch auf Männer kommt. Diese hier war eine von der alten Schule: albern und kokettierend. Mich hat sie auf Anhieb verachtet.
    Sie schaute Henry an und klopfte auf das Sesselkissen. »Komm, setz dich hierher, du böser Junge. Ich will nicht, daß du wie ein Diener auf mich wartest. Können Sie sich das vorstellen, Kinsey? Alles, was er heute nachmittag gemacht hat, war, mir einmal dies, einmal jenes zu holen.« Sie beugte sich über den Teller mit den Appetithappen und war wieder hingerissen. »Und was ist das für einer?«
    Ich sah zu Henry und erwartete halb, daß er mir einen gequälten
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