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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
Autoren: Sue Grafton
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in Gefahr. Ich weiß es einfach. Seit Wochen habe ich dieses Gefühl. Ich brauche Hilfe.«
    »Hast du es mit den Cops versucht?«
    »Sicher. Für sie war es ein Unfall. Es gibt keinen Hinweis auf ein Verbrechen. Na gut, Fahrerflucht. Sie wissen, daß mich jemand von hinten angefahren und von der Brücke abgedrängt hat, aber vorsätzlicher Mord? Ich bitte dich. Und selbst wenn sie mir glauben würden, sie haben nicht genügend Leute für so etwas. Ich bin nur ein normaler Bürger. Ich habe keinen Anspruch auf Polizeischutz rund um die Uhr.«
    »Vielleicht solltest du einen Leibwächter engagieren —«
    »Vergiß es! Ich will dich.«
    »Bobby, ich sage ja nicht, daß ich dir nicht helfen will. Natürlich werde ich das tun. Ich gehe nur die Möglichkeiten durch. Es klingt, als bräuchtest du mehr als mich.«
    Angespannt beugte er sich vor. »Du sollst bloß dieser Sache auf den Grund gehen. Sag mir, was los ist. Ich will wissen, warum Leute hinter mir her sind, und ich will, daß sie aufgehalten werden. Dann brauche ich weder die Cops noch einen Leibwächter oder sonstwas.« Erregt klappte er den Mund zu und lehnte sich schwankend zurück.
    »Scheiß drauf«, stieß er hervor. Unruhig bewegte er sich und stand dann auf. Aus seiner Brieftasche zog er einen Zwanziger, den er auf den Tisch warf. Dann machte er sich in dieser federnden Gangart Richtung Tür auf. Sein Humpeln war deutlicher, als ich bisher bemerkt hatte. Ich schnappte mir meine Handtasche und holte ihn ein.
    »Mein Gott, nicht so schnell. Laß uns zu mir ins Büro fahren und einen Vertrag aufsetzen.«
    Er hielt mir die Tür auf, und ich ging hinaus.
    »Hoffentlich kannst du dir meine Dienste leisten«, sagte ich über die Schulter hinweg.
    Er lächelte schwach. »Nur keine Sorge.«
    Wir bogen nach links ab und gingen zum Parkplatz.
    »Tut mir leid, daß ich die Beherrschung verloren habe«, murmelte er.
    »Geschenkt. Mir macht das nichts aus.«
    »Ich war mir nicht sicher, ob du mich ernst nimmst«, meinte er.
    »Warum sollte ich nicht?«
    »Meine Familie denkt, bei mir war ‘ne Schraube locker.«
    »Tja, deshalb hast du ja auch mich engagiert und nicht sie.«
    »Danke«, sagte er leise. Er hakte sich bei mir unter, und ich sah ihn an. Sein Gesicht war rosa angelaufen, und Tränen standen in seinen Augen. Gleichgültig tupfte er sie ab, ohne mich anzusehen. Zum erstenmal wurde mir bewußt, wie jung er war. Mein Gott, er war noch ein Kind, ruiniert, konfus und zu Tode geängstigt.
    Langsam gingen wir zu meinem Wagen zurück, und ich war mir der starrenden Blicke der Neugierigen bewußt, die ihre Ggsichter voller Mitleid und Unbehagen abwandten. Am liebsten hätte ich jemanden verprügelt.

2

    Gegen zwei Uhr nachmittags war der Vertrag unterzeichnet, und Bobby hatte mir einen Spesenvorschuß in Höhe von zweitausend Dollar überlassen. Ich ließ ihn an der Sporthalle raus, wo er vor dem Lunch seinen BMW stehenlassen hatte. Seine Behinderung gab ihm das Recht zur Benutzung des Behindertenparkplatzes, aber ich stellte fest, daß er keinen Gebrauch davon gemacht hatte. Vielleicht hatte jemand anderer dort geparkt, als er angekommen war, oder er hatte es, halsstarrig wie er war, vorgezogen, die zwanzig Meter weiter zu laufen.
    Als er ausstieg, lehnte ich mich über den Vordersitz. »Wer ist dein Anwalt?« fragte ich. Er hielt die Tür an der Beifahrerseite geöffnet und den Kopf geneigt, so daß er zu mir hineinsehen konnte.
    »Varden Talbot von Talbot & Smith. Warum? Willst du mit ihm reden?«
    »Frage ihn, ob er Kopien des Polizeiberichts hat, die er mir überlassen könnte. Das würde mir eine Menge Arbeit ersparen.«
    »Okay, wird gemacht.«
    »Ach ja, und wahrscheinlich ist es das beste, wenn ich mit deinen nächsten Angehörigen beginne. Sie könnten die eine oder andere Theorie über die Vorgänge haben. Wie wär’s, wenn ich euch später mal anrufe und nachfrage, ob jemand Zeit für mich hat?«
    Bobby verzog das Gesicht. Auf dem Weg zu meinem Büro hatte er mir erzählt, daß ihn seine Verletzungen gezwungen hatten, vorübergehend wieder in seinem Elternhaus zu wohnen, was ihm nicht besonders paßte. Seine Eltern hatten sich vor einigen Jahren scheiden lassen, und seine Mutter hatte wieder geheiratet; genaugenommen war das schon Ehe Nummer drei. Offensichtlich kam Bobby mit seinem gegenwärtigen Stiefvater nicht zurecht, aber er hatte eine siebzehnjährige Stiefschwester namens Kitty, die er zu mögen schien. Ich wollte mit allen dreien reden.
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