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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
Autoren: Sue Grafton
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den Sprung wagen.«
    Ich folgte Bobby und paßte meinen Schritt seinem an, während er durch den Raum zum Kamin humpelte, wo man sich versammelt hatte. Seine Mutter beobachtete unser Näherkommen, und die beiden Frauen bei ihr hielten mitten im Gespräch inne, um zu sehen, was ihre Aufmerksamkeit so in Anspruch nahm.
    Für die Mutter eines Dreiundzwanzigjährigen sah sie jung aus, mager, mit schmalen Hüften und langen Beinen. Sie hatte dichte, schimmernde Haare in einem hellen Rehbraun und trug sie nicht ganz schulterlang. Ihre Augen waren klein und tiefliegend, ihr Gesicht schmal und der Mund breit. Sie hatte elegante Hände mit langen, schlanken Fingern. Sie trug eine cremefarbene Seidenbluse und einen Rock aus reinem Leinen, der eng an der Taille anlag. Die zarten Ketten um Handgelenk und Hals waren aus Gold. Der Blick, den sie Bobby zukommen ließ, war angespannt, und ich glaubte den Schmerz zu spüren, mit dem sie sein verkrüppeltes Äußeres betrachtete. Sie sah von ihm zu mir herüber und lächelte höflich.
    Mit ausgestreckter Hand trat sie auf mich zu. »Ich bin Glen Callahan. Sie müssen Kinsey Millhone sein. Bobby erwähnte, daß Sie vorbeikommen würden.« Ihre Stimme klang tief und kehlig. »Sie sollen erst mal Gelegenheit haben, sich ein wenig zu amüsieren. Wir sprechen uns dann später.«
    Ich schüttelte ihre Hand und war überrascht, wie knöchern und warm sie sich in meiner anfühlte. Ihr Griff war eisern.
    Sie sah die Frau zu ihrer Rechten an und stellte mich vor. »Das ist Nola Fraker.«
    »Angenehm«, meinte ich beim Händeschütteln.
    »Und Sufi Daniels.«
    Gemurmelte Höflichkeiten wurden ausgetauscht. Nola war ein Rotschopf mit einer reinen, fein gemaserten Haut und strahlend blauen Augen. Sie trug einen dunkelroten Overall, der ihre Arme freiließ und ein tiefes V aus nacktem Fleisch vom Hals bis zur Taille sichtbar machte. Ich hätte ihr auf gar keinen Fall geraten, sich hinabzubeugen oder plötzliche Bewegungen zu machen. Ich hatte das Gefühl, sie von irgendwoher zu kennen. Vielleicht hatte ich ihr Foto in der Klatschspalte gesehen oder etwas Ähnliches. Die Erinnerungslämpchen hörten jedenfalls auf zu blinken, und ich überlegte, was das wohl für eine Geschichte gewesen war.
    Die andere Frau, Sufi, war klein und irgendwie unförmig, gleichmäßig dick und mit einem krummen Rücken. Sie trug einen malvenfarbenen Jogginganzug aus Velours, der nicht aussah, als habe sie jemals in ihm gejoggt. Ihre blonden Haare waren dünn und fein, und sie trug sie zu lang, wahrscheinlich um ihrem Gesicht zu schmeicheln.
    Nach einer Anstandspause nahmen die drei, sehr zu meiner Erleichterung, ihr Gespräch wieder auf. Ich hatte nicht die leiseste Idee gehabt, über was ich mit ihnen sprechen sollte. Nola erzählte von einem Stoffrest für dreißig Dollar, den sie aufmotzte, um ihn bei einer Weinprobe in Los Angeles zu tragen. »Ich war in allen Geschäften in Montebello, aber es war einfach lächerlich! Ich zahle doch keine vier Scheine für ein Kleidungsstück. Ich würde nicht mal zwei zahlen«, sagte sie energisch.
    Das überraschte mich. Sie sah aus wie eine Frau, die Spaß an Extravaganzen hatte. Wenn ich mir so etwas nicht einbilde. Meine Vorstellung von Frauen mit Geld ist, daß sie nach Beverly Hills fahren, um sich die Beine enthaaren zu lassen, am Rodeo Drive noch ein oder zwei Nippes kaufen und dann zu einem Wohltätigkeitsessen für 1500 Dollar pro Gericht gehen. Ich konnte mir Nola Fraker nicht beim Durchstöbern der Sonderangebotskiste unseres örtlichen Second-hand-Ladens vorstellen. Vielleicht war sie als junges Mädchen arm gewesen und hatte sich nicht daran gewöhnen können, die Frau eines Doktors zu sein.
    Bobby nahm meinen Arm und lotste mich zu den Männern. Erst stellte er mich seinem Stiefvater, Derek Wenner, vor, und dann schnell nacheinander den Doktoren Fraker, Metcalf und Kleinert. Bevor ich noch darüber nachdenken konnte, brachte er mich bereits zum Flur. »Laß uns raufgehen. Wir werden Kitty suchen, und dann zeige ich dir den Rest des Hauses.«
    »Bobby, ich will mit diesen Leuten reden!« protestierte ich.
    »Nein, das wirst du nicht tun. Sie sind dumm, und sie wissen gar nichts.«
    Als wir an einem Beistelltisch vorbeikamen, wollte ich mein Weinglas abstellen, aber er schüttelte den Kopf. »Nimm es mit.«
    Er schnappte sich eine volle Flasche Wein aus einem silbernen Kühler und klemmte sie sich unter den Arm. Er hatte tatsächlich ein ziemliches Tempo drauf, trotz
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