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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren
Autoren: Sue Grafton
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in der Kapsel, die er schluckte, vertauscht worden war: kein Meisterstreich, aber sehr wirkungsvoll. Oleander ist ein verbreiteter Strauch in Kalifornien. Einer stand sogar im Hintergarten der Fifes. Nikkis Fingerabdrücke fanden sich auf der Arzneiflasche, neben denen ihres Mannes. Ein Tagebuch wurde unter ihrer Habe entdeckt; bestimmte Eintragungen belegten, daß sie hinter seine Seitensprünge gekommen war, daß sie deswegen erbittert und verletzt war und an Scheidung dachte. Der Staatsanwalt konnte mühelos ins Feld führen, daß sich niemand ungestraft von Laurence Fife scheiden ließ. Seine erste Ehe war geschieden worden, und obwohl ein anderer Anwalt ihn in diesem Prozeß vertreten hatte, war sein Einfluß dabei unverkennbar. Er erhielt das Sorgerecht für seine Kinder, und er schaffte es, finanziell am besten wegzukommen. Der Staat Kalifornien ist gewissenhaft bei der Vermögensteilung, aber Laurence Fife hatte so eine Art, Beträge zu lavieren, daß sogar eine Fifty-fifty-Teilung ihm den Löwenanteil brachte. Es sah so aus, als hätte Nikki Fife wohlweislich darauf verzichtet, sich legal von ihm zu befreien, und auf andere Wege gesonnen.
    Sie hatte ein Motiv. Sie hatte die Gelegenheit. Die Anklagekammer vernahm Zeugen und eröffnete das Hauptverfahren. Als sie erst einmal vor Gericht stand, handelte es sich einfach darum, wer zwölf Bürger wovon überzeugen konnte. Offenbar hatte der Staatsanwalt seine Hausaufgaben gemacht. Nikki holte sich Wilfred Brentnell aus Los Angeles: ein Spitzenverteidiger mit dem Ruf des Schutzheiligen für hoffnungslose Fälle. In gewisser Hinsicht war das fast ein Schuldbekenntnis. Der ganze Prozeß erregte Aufsehen. Nikki war jung. Sie war hübsch. Sie war reich geboren. Die Öffentlichkeit war neugierig, und die Stadt war klein. Großer Appetit und ein gefundenes Fressen.

2

    Santa Teresa ist eine südkalifornische Stadt mit achtzigtausend Einwohnern, kunstvoll angelegt zwischen den Sierra Madres und dem Pazifik — ein Zufluchtsort für die unrettbar Reichen. Die öffentlichen Gebäude sehen aus wie alte spanische Missionen, die Wohnhäuser sehen aus wie auf Illustriertenfotos, den Palmen sind die unansehnlichen braunen Fransen weggestutzt, und die Marina ist das perfekte Ansichtskartenbild, mit den blaugrauen Hügeln als Hintergrund und weißen Booten, die im Sonnenschein tanzen. Die Innenstadt besteht hauptsächlich aus ein- bis zweistöckigen Bauten aus weißem Stuck und roten Fliesen, mit weiten, weichen Bögen und Gitterwerk, um das sich leuchtend purpurne Bougainvillea rankt. Selbst die Fertigbungalows der Armen könnte man kaum als fad bezeichnen.
    Die Polizeiverwaltung liegt nahe der Stadtmitte in einer Nebenstraße, gesäumt von pfefferminzgrünen Häusern mit niedrigen Steinmauern und Jacarandabäumen, von denen blaßlila Blüten tropfen. In Südkalifornien besteht der Winter aus bedecktem Himmel, und er wird nicht durch den Herbst angekündigt, sondern durch Brände. Nach der Feuersaison kommen die Erdrutsche. Danach ist dann der Status quo wiederhergestellt, und alles geht seinen gewohnten Gang. Jetzt war es Mai.
    Nachdem ich die Filmrolle zum Entwickeln abgegeben hatte, fuhr ich zum Mordderzernat, um mit Lieutenant Dolan zu sprechen. Con ist Ende Fünfzig, ihn umgibt die Aura des Ungepflegten: Säcke unter den Augen, graue Stoppeln oder jedenfalls ihr Anschein, ein hamsterbackiges Gesicht und Haare, die oben mittels irgendeines Herrenkosmetikums über eine blanke Stelle gekämmt worden sind. Er sieht aus, als würde er nach Thunderbird riechen, unter Brücken herumlungern und sich auf die eigenen Schuhe erbrechen. Was nicht bedeutet, daß er nicht sehr auf Draht ist. Con ist zehnmal schlauer als der Durchschnittsdieb. Mit Mördern läuft er ungefähr Kopf an Kopf. Meistens erwischt er sie, und nur gelegentlich vertut er sich. Wenige Leute können ihn überlisten, und ich bin mir nicht sicher, woran das liegt, abgesehen von seiner Konzentrationsfähigkeit, die enorm, und seinem Gedächtnis, das klar und unbarmherzig ist. Er wußte, warum ich dort war, und winkte mich wortlos nach hinten in sein Büro.
    Was Con Dolan ein Büro nennt, genügt anderswo gerade einer Sekretärin. Er mag nicht ausgeschlossen sein und legt keinen sonderlichen Wert auf Ungestörtheit. Er erledigt seine Arbeit gern zurückgekippt in seinem Stuhl, die Aufmerksamkeit halb auf das gerichtet, was um ihn herum vorgeht. So schnappt er eine Menge Informationen auf, und das erspart ihm
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