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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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etwas geradezu Unmögliches getan, nämlich Emma und mich gleichzeitig beobachtet. Und das kann einer allein nicht hinkriegen.«
    Dr. Schönthaler brummte nachdenklich. »Es sei denn, er hätte Emma zu dem Zeitpunkt dabeigehabt, als er dich beobachtet hat.«
    »Quatsch, Emma ist doch irgendwo in diesem verfluchten Keller eingesperrt, der gerade geflutet wird.« Auf die Nachfrage seines Freundes hin informierte er ihn über die Fotos, die ihm Emmas Entführer zugesandt hatte.
    »Und wenn diese Fotos überhaupt nichts mit Emmas Versteck zu tun haben und alles nur eine Illusions- und Zaubershow ist, ein magisches Theater, das dich und uns verwirren soll?«
    Tannenbergs Gehirn war wie gelähmt. Sein Mund schnappte ein paarmal auf und zu, doch er konnte nicht sprechen.
    »Was ist mit dir? Bist du noch da?«
    »Ja«, hauchte er. Dann peitschte ein gewaltiger Energieschub durch seinen Körper. »Egal, Rainer, was und wer dahintersteckt. Wir müssen jetzt da durch. Deshalb musst du auch unbedingt Eberle und Hollerbach klarmachen, dass, egal, was auch passieren mag, kein vorzeitiger Zugriff erfolgen und auch kein einziger Schuss abgegeben werden darf. Ich muss zuerst Emmas Versteck herausfinden. Und dazu brauche ich Zeit, um auch noch das letzte Rätsel zu lösen. Außerdem will ich mit ihm reden. Wenn er tot ist, kann er uns das Versteck nicht mehr verraten.«
    »Du hast recht, Wolf, diese Chance dürfen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen.«
     
     
    22 Uhr 30
     
    Als Wolfram Tannenberg auf dem Parkplatz an der alten Eisenschmelze eintraf, war er derart müde und erschöpft, dass er sich am liebsten gleich ins Laub gelegt und geschlafen hätte. Aber er durfte diesem ausgeprägten Schlafbedürfnis nicht nachgeben, er musste unter allen Umständen wach bleiben.
    Die letzten eineinhalb Stunden seines unfreiwilligen Gewaltmarsches hatten sich regelrecht zur Tortur entwickelt. Um 21 Uhr war es dunkel geworden. Obwohl ein riesengroßer Vollmond das enge Tal beschien, hatte er sich nicht getraut, Waldwege zu benutzen, und hatte sich die restliche Wegstrecke die Straße entlanggeschleppt. Er konnte es sich einfach nicht leisten, ein weiteres Mal umzuknicken.
    Der bereits lädierte Fußknöchel war inzwischen so stark angeschwollen, dass er kaum mehr in den Schuh hineinpasste. Die ehemals weißen Socken waren blutgetränkt und scheuerten wie Schmiergelpapier über seine geschundenen Fersen hinweg.
    Wie von Simon gefordert, erwartete Tannenberg auf dem Waldparkplatz den nächsten Anruf. Um nicht einzuschlafen, wanderte er ziellos umher, alle paar Sekunden den Blick auf seine Armbanduhr gerichtet. Er setzte sich auf einen bemoosten Felsen und zog Schuhe und Socken aus. Seufzend betrachtete er die offenen Wunden an seinen Fersen.
    Ob meine Verletzungen wohl auch Teil seines perversen Plans sind? Lars hatte die ermordeten Frauen so lange über den steinigen Waldboden geschleift, bis die Achillessehnen in Fetzen herunterhingen. Ob dieser Hundsfott auch das in sein makaberes Spiel eingeplant hat? Vielleicht als Teil meiner Bestrafungsaktion? So eine abartige Sau!
    Das ist ja schon wieder so eine bescheuerte Duplizität der Ereignisse. Oder bilde ich mir diese Parallele nur ein? Wer weiß. Jedenfalls ist es schon mehr als merkwürdig, dass wir außerdem genau wie vor sechs Jahren Vollmond haben. Wie aus dem Nichts schoben sich die beiden Schlussstrophen des letzten Gedichts, das Lars Mattissen damals an die Mordkommission geschickt hatte, in sein Bewusstsein:
     
    Oh Tannenberg, du armer Wicht,
    Siehst nicht die Fäden hinterm Licht.
    Oh Tannenberg, du armer Tropf,
    Es lacht dich aus der Schweinekopf!
     
    Bevor der Mond ist kugelgleich,
    Entdeckst du schon die nächste Leich!
    Der Frauen Tod ist Liebesfron –
    Neigt sich zu End die Pilzsaison?
     
    Wahnsinn, dachte er gerade, als das Handy des Entführers läutete.
    »Na, wie sieht’s aus? Alle Befehle Simons brav befolgt?«
    »Ja, sicher.«
    »Das heißt, Sie befinden sich bereits hier ganz in der Nähe?«
    »Ja, ich bin auf diesem Waldparkplatz.«
    »Sehr schön. Dann bis gleich. Sie können übrigens schon loslaufen.«
    »Was? Aber es ist doch noch gar nicht so weit. Wenn ich jetzt losmarschiere, bin ich doch vor elf Uhr im Finsterbrunnertal. Und Simon hat …«
    »Simon, Simon. Was interessiert uns Simon. Der ist ab jetzt aus dem Spiel, den brauchen wir nicht mehr. Kommen Sie zu uns. Wir können es nämlich kaum mehr erwarten, Sie endlich zu treffen. Umso eher, desto besser –
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