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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition)
Autoren: Bernard Minier
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gefälschten Kontakt einzugeben, während er schlief, wenn nicht sie? Wer hatte gezielt an ihm vorbeigeschossen? Wer hatte in aller Ruhe mitten in der Nacht die Buchstaben in den Baumstamm geritzt? Er dachte wieder an das, was er auf dem Parkplatz zu Espérandieu gesagt hatte: „Die CD von Mahler lag doch schon in der Stereoanlage, lange bevor uns die Ermittlungen übertragen wurden.“ Und zwar aus gutem Grund …
    „Worauf warten Sie?“, schrie Mariannes Sohn und stieß seinen Stuhl zurück, der laut auf den Boden polterte. „Verstehen Sie denn nicht? Diese Nachricht ist von ihm! Begreifen Sie denn nicht, was da los ist? ER WIRD SIE UMBRINGEN?“
     
    Donnergrollen, Scheinwerfer, Blaulichter, Blitze. Der Regen lief über die Windschutzscheiben, die knisternden Durchsagen in den Funkgeräten, die Sirenen, das Tempo, die Straße, die sich in einen Sturzbach verwandelt hatte; und über dem allem die Nacht. Verschiedene Geräusche im Kopf, Angst, verworrene Gedanken. Die erschreckende Gewissheit, dass sie zu spät kamen.
    Quer durch das nebelverhangene Marsac … Der See … Ziegler, Espérandieu und er fuhren zunächst am östlichen, dann am nördlichen Ufer entlang. Vincent saß am Steuer. Die Fahrzeuge der Gendarmerie waren schon da. Ein halbes Dutzend. Sie fuhren durch das offenstehende Tor. Servaz hatte das Gefühl, dass sich sein Magen verflüssigte, während sie über den Kiesweg fuhren. Alle Lampen im Haus brannten, im Erd- ebenso wie im Obergeschoss. Licht fiel aus allen Fenstern und beleuchtete den Park. Gendarmen, die auf das Gelände ausgeschwärmt waren … Servaz hatte sie vor fast einer Stunde vom Gefängnis aus angerufen. Er sprang aus dem Wagen und rannte zur Eingangstreppe. Er eilte die Stufen hinauf. Auch hier stand die Tür weit offen.
    Er rief: „Marianne!“
    Stürzte hinein, hastete durch menschenleere Räume.
    Er entdeckte Capitaine Bécker, der ihn beim ersten Mal in Claires Haus empfangen hatte, und der sich mit anderen Beamten, die er nicht kannte, besprach.
    „Und?“
    „Sie ist nicht hier“, antwortete Bécker.
    Servaz durchsuchte systematisch jedes Zimmer im Erdgeschoss. Ohne Illusionen. Das hatten sie auch schon getan. Er kehrte in die Diele zurück.
    „Jemand da oben?“, rief er die große Treppe hinauf.
    „Niemand …“
    Er ging durch Vorhänge, die im Wind tanzten, und kam auf der Terrasse über dem See heraus, der in der Dunkelheit vom Regen gekräuselt wurde.
    Wo war sie? Er rief sie. Wieder und wieder. Begegnete den perplexen Blicken der Gendarmen. Sie würde jeden Moment auftauchen, ihn fragen, was los war, und er würde sie in die Arme schließen, sie küssen und ihr ihren Verrat und ihre Sünden vergeben. Sie würden den wegfahrenden Polizeifahrzeugen nachsehen und dann eine Flasche entkorken. Anschließend würde sie ihn bitten, ihm zu verzeihen – schließlich handelte es sich um ihren Sohn -, und sie würden sich lieben.
    Aber nein, er würde ihr sagen müssen, dass Hugo im Gefängnis blieb. Durch ihre Schuld. Er wusste, dass das sie für immer trennen würde, dass danach kein Neuanfang mehr zwischen ihnen möglich war. Er spürte, wie ihn die Hoffnungslosigkeit niederdrückte. Zumindest wäre sie am Leben. Lebendig … Er ging durch die aufgeweichte Wiese, seine Sohlen sanken im schwammigen Gras ein, sein Gesicht war vom Regen ganz nass, und die Tropfen trommelten auf seinem Schädel. Er stieß zu den Gendarmen in Regenhäuten, die die Blumenbeete durchsuchten. Er drehte sich um: die Lichtkegel der Blaulichter auf der anderen Seite des Gebäudes wurden von den niedrigen Wolken zurückgeworfen, die schwarze Silhouette des großen Hauses mit den erleuchteten Fenstern zeichnete sich scharf gegen den Hintergrund ab. Aber über den Lichtpfützen, die auf das Gras geworfen wurden, war nur Finsternis. Er ging um mehrere dunkle kleine Baumgruppen, die in den Böen schwankten. Jetzt hörte er die kleinen Wellen, die an das Ufer spülten, und den Regen, der über den See hinwegfegte.
    „Sie ist nicht hier“, sagte einer der Gendarmen.
    „Sind Sie sicher?“
    „Wir haben alles abgesucht.“
    Er deutete auf den unteren Teil des Gartens, der an den Wald angrenzte, dort, wo er die eingeritzten Buchstaben entdeckt hatte. Selbst wenn er jetzt wusste, dass sie nicht von Hirtmann waren.
    „Suchen Sie dort. Im Bereich der Quelle und eines umgestürzten Baumes. Durchkämmt das gesamte Gebiet.“
    Er ging ins Haus zurück. Wo war sie? Hatte er sie mitgenommen? Bei dem Gedanken
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