Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns
Autoren: Poul Anderson
Vom Netzwerk:
kristallenen schwarzen Schale, die sie festhielt, glomm das Kattegat quecksilbern.
    Sie watete hinaus. Die Brandung, nicht vom Wind angetrieben, war schwach, und sie war bald im Wasser, das nur leise um sie plätscherte. Weder die Kälte noch die zahllosen scharfen Steine taten ihr weh. Statt dessen nahm sie eine Salzströmung wahr, die weiter draußen auf sie wartete. Als das Wasser ihre Brustwarzen küßte, ließ sie sich sinken.
    Sie konnte in der Tiefe nicht atmen wie die Meerfrauen, und das war ein Mangel, aber sie brauchte es auch nicht zu tun. Sie schwamm, sie trieb dahin, sie gab dem Wasser die Liebkosungen zurück, die es über ihren ganzen Körper schickte. Das Licht hier unten genügte ihr, lange braune Schlingpflanzen mit flatternden Blättern zu erkennen, die von den Felsen oben herabhingen, Fische, die wie silberne Meteore vorbeiflitzten, den Übergang von seichten Gewässern zu Tiefen und endlosen Mysterien. Sie konnte die Gezeiten hören, wie sie, der Bahn des Monds folgend, um die Welt rollten, sie konnte die Delphine Neuigkeiten von einer Korallenküste erzählen hören, sie konnte über gewaltige Entfernungen hinweg die Musik der großen Wale hören. Jenseits davon erspürte sie Glanz, Melodien, Zauber aus den Reichen, die dem Feenvolk vorbehalten blieben.
    Sie erinnerte sich, Ingeborg zu sein, und sie erinnerte sich, Nada zu sein, aber jetzt war sie beide und war keine von beiden. Was da schwamm, war ein Geschöpf der Halbwelt, das lieben und lachen und kämpfen und leiden konnte, das viele Fähigkeiten besaß, die den Kindern Adams für immer versagt sind, das aber Gott ebensowenig erkennen konnte, wie ein Albatros oder der Wind, der seine Schwingen breitet. Frei geworden, ganz geworden, fühlte sie um so deutlicher, wie voller Freude sie war. Sollte ihr Geschick sie ereilen, wenn die Nornen es bestimmten. Diese Stunde gehörte ihr.
    Bald, ehe die Leute erwachten, wollte sie zurückkehren und Tauno wecken.

 
11
     
    Niels Jonson kaufte für Herrn Carolus Brede, seinen Gast, eine Jacht, klein genug, um einhändig gesegelt werden zu können, aber gut genug für die Hochsee gebaut. Beladen wurde sie mit Werkzeugen, Waffen, Tauen, Stoff und vielem anderen an Ausrüstung und Vorräten. Das Gerücht ging, er wolle unter der Nase der Hanse einen heimlichen Handel mit den Wenden beginnen. Aber als alles fertig war, schickte er nur drei Männer und zwei zusätzliche Pferde nach Hornbaek. Er und Carolus steuerten das Boot nach Norden, nicht nach Süden, den Sund hinauf und westlich an der seeländischen Küste vorbei. Fru Dagmar kam auch mit, obwohl sie ein Kind erwartete.
    Sie ließen die Siedlung hinter sich. An einem unbewohnten Strand, der durch eine hohe Fichte gekennzeichnet war, warfen sie Anker und warteten. Fischerboote waren in Sicht, doch würde die Nacht sie vor ihnen verbergen.
    Sie kam spät, denn es war Johannisabend, wenn die Sonne weder lange noch tief unter den dänischen Horizont versinkt. Der Himmel war violett und so hell, daß nur wenige Sterne schienen, und diese klein und verstohlen. Das Wasser glänzte wie gehämmertes Silber, ständig bewegt von kühler Luft, die den Duft wachsender Pflanzen vom Land herantrug. Man konnte die Bäume dort hinten zählen oder die Handlinien der Geliebten lesen. Auf fernen Hügeln glühten die Sonnenwendfeuer rot; Jünglinge und Jungfrauen umtanzten sie.
    Schwapp, schwapp, machte das Wasser an den Planken. Aus weiter Ferne tönten Vogelrufe. Die Brandung murmelte. Nur wenige Geräusche brachen sonst noch die Stille.
    Dann kam eine Schwimmerin an die Oberfläche und grüßte leise in einer fremden Sprache. Tauno erwiderte ebenso. Sie kam näher; er beugte sich vor und half ihr an Bord. Schimmernde Tropfen perlten von ihrem nackten Körper.
    Sie sahen, daß Ingeborgs Körper voller gerundet war als früher, denn seine Muskeln gaben ihm die Bewegungen einer Katze. Sonnenlicht hatte ihn überall gebräunt. Das Wetter hatte braunes Haar in dunklen Bernstein verwandelt. Doch auf all das kam es kaum an, verglichen mit der Fremdartigkeit, die von ihr ausstrahlte. Ja, es war noch Ingeborgs Gesicht, doch irgendwie verändert, wie flüssig geworden, sowohl scheu als auch kühn, sorglos und weise blickte es in die Welt, wie eine Löwin es tun mag. Aber es lag auch etwas von Otter, Seehund und in weiten Fernen beheimateter Seeschwalbe in diesem Blick.
    Tauno und sie umarmten sich für Minuten, Mund auf Mund. „Wie hast du die Tage verbracht?“ fragte er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher